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Studie: „In gedämmten Gebäuden wird mehr Energie verschwendet als in ungedämmten“


  

(28.4.2013) In wärmegedämmten Gebäuden wird mehr Energie verschwendet als in ungedämmten. Der absolute Energiever­brauch wird mit zunehmender energetischer Gebäudequalität immer kleiner, aber der Einfluss der Nutzer und ihre Neigung zum verschwenderischen Umgang nehmen deutlich zu - zu diesem Ergebnis kommt die bundesweit größte Studie zur Ener­gieeffizienz in Gebäuden von Prof. Dr. Clemens Felsmann. Sein Fazit: Je besser der energetische Zustand der Gebäudehülle ist, desto weniger kümmert die Bewohner ihr Umgang mit der Wärme. Deshalb plädiert der Wissenschaftler für verursacher­gerechtes Abrechnen der Heizkosten auch in sehr gut wärme­gedämmten Gebäuden. Darüber hinaus belegt die Studie das hohe CO₂-Minderungspotenzial der Heizkostenabrechnung.

Energiewende wird im Wohnzimmer entschieden

Dr. Clemens Felsmann ist Professor für Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung und lehrt am Institut für Energietechnik der Technischen Universität Dresden. Das Institut genießt hohes Ansehen und ist häufig für die Bundesregierung tätig. Der Titel seiner aktuellen Studie lautet „Auswir­kungen der verbrauchsabhängigen Abrechnung in Abhängigkeit von der energetischen Gebäudequalität“. Dazu hat die Arbeitsgemeinschaft Heiz- und Wasserkostenvertei­lung anonymisierte Messdaten von 3,3 Millionen Wohnungen zur Verfügung gestellt. Insgesamt gibt es in Deutschland 18 Millionen Wohnungen in Mehr­familienhäusern.

Geringste CO₂-Vermeidungskosten

Die Studie bestätigt das hohe CO₂-Minderungspotenzial der Heizkostenabrechnung. Seit Einführung der Abrechnungspflicht im Jahr 1981 wurden rund 350 Millionen Ton­nen CO2 eingespart. Während die meisten Energieeffizienzmaßnahmen zur CO₂-Ver­meidung Kosten verursachen, entstehen bei der verbrauchsabhängigen Abrechnung Einsparungen in Höhe von knapp 200 Euro je Tonne vermiedenes CO₂. „Keine im An­satz vergleichbare Maßnahme weist derart geringe Vermeidungskosten auf wie die verbrauchsabhängige Abrechnung“, sagt Felsmann. Seinen Berechnungen zufolge sind Heizkostenabrechnungen in ihrer Wirkung besser als Energiesparlampen und sogar vergleichbar mit der Sanierung aller unsanierten 1- bis 2-Familienhäuser.

Nutzer in Altbauten deutlich energiebewusster

Die Analyse belegt, dass in Mehrfamilienhäusern die gemessenen Raumtemperaturen in zwei Dritteln aller untersuchten Wohnräume deutlich unter dem theoretischen Sollwert von 20°C liegen. Die Hälfte aller erfassten Werte lag sogar unter 19°C. Demnach ver­halten sich Nutzer in Altbauten deutlich energiebewusster als bisher angenommen, und ihr Verhalten hat einen größeren Einfluss auf den Gesamtverbrauch als vermutet. Der gemessene Energieverbrauch von Altbauten fällt im Durchschnitt deutlich niedriger aus als der berechnete Bedarf nach EnEV. Einsparpotenziale von ener­getischen Maßnahmen an Gebäudehülle und Anlagentechnik werden deshalb über­schätzt.

Die Felsmann-Studie kommt zu der Erkenntnis, dass die durchschnittlichen Raumtem­peraturen mit der energetischen Qualität der Gebäude deutlich steigen. Wohnungen, die zwischen 1958 und 1967 erstellt wurden, sind durchschnittlich 18,1°C warm. Sol­che aus den Jahren 1978 bis 1995 sind nur unwesentlich höher temperiert. Doch be­reits die Baujahre von 1996 bis 2001 sind mit 19,4°C deutlich wärmer. Wohnungen nach dem EnEV-2002-Standard legen weiter zu auf rund 20°C. In Gebäuden nach ak­tueller EnEV sind die Raumtemperaturen im Mittel noch höher.

Energieverbrauch für Warmwasser wird unterschätzt

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass der Gebäudezustand keinen Einfluss auf den Energiebedarf für die Trinkwassererwärmung hat. Allerdings steigt der relative Anteil am Gesamtwärmeverbrauch mit zunehmender energetischer Gebäudequalität. Für Neubauten beträgt der Anteil hierfür über 30 Prozent. Aus dem umfangreichen Datenmaterial ermittelte Felsmann einen durchschnittlichen Energieverbrauch von 26 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²·a) für die Wassererwärmung. Dieser Verbrauchswert liegt mehr als das Doppelte über dem in DIN V 18599 Teil 10 angenommenen Nutzenergiebedarf von 12,5 Kilowattstunden pro Jahr und Quadrat­meter. In einem Altbau, der vor 1977 erstellt wurde, entfallen durchschnittlich 17 Prozent des Heizwärmeverbrauchs auf die Warmwasserbereitung. In Gebäuden, die nach der EnEV 2002 gebaut wurden, sind es bereits 28 Prozent. In Einzelfällen kann der Anteil der Wassererwärmung im Neubau auf bis zu 50 Prozent steigen. Deshalb empfiehlt Felsmann, die verursachergerechte Heiz- und Wasserkostenverteilung auch im Neubau und im energetisch optimierten Altbau einzusetzen, um die Nutzer zum Energiesparen zu bewegen.

„Verbrauchsausweis deutlich überlegen“

Weil die Berechnungsgrundlage (DIN V 18599) auf anderen Grundannahmen beruht, wird der berechnete Energieverbrauch im Neubau nicht erreicht. Einsparpotenziale im Altbau könnten jedoch nur dann seriös prognostiziert werden, wenn für jeden Einzelfall die tatsächliche Verbrauchssituation geprüft werde. Ebenso wie im Altbau würden die Auswirkungen der energetischen Vorschriften nach EnEV im Neubau überschätzt. Der Wissenschaftler macht auch hierfür im Wesentlichen das Nutzerverhalten verantwort­lich. Vor allem in neuen Gebäuden mit niedrigem Energiebedarf verbrauchen die Nutzer durch ihr Heiz- und Lüftungsverhalten mehr Wärme als berechnet.

Fazit

Das Nutzerverhalten ist entscheidend. Nur wer weiß, wie viel Energie er verbraucht und was das kostet, wird sein Verhalten im Umgang mit Energie überdenken. Und nur wer sein Verhalten überdenkt, wird sein Verbrauchsverhalten anpassen. Das kann laut Felsmann dazu führen, dass Räume weniger stark oder nur teilweise beheizt werden und dass bedarfsgerechter gelüftet und weniger Warmwasser verbraucht wird.

Die komplette Felsmann-Studie „Auswirkungen der verbrauchsabhängigen Abrechnung in Abhängigkeit von der energetischen Gebäudequalität“ kann per E-Mail an Arbeitsgemeinschaft Heiz- und Wasserkostenverteilung kostenlos bestellt werden.

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