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Oliver Wyman-Analyse zum globalen Baumaschinenmarkt bis 2020

(14.4.2013) Chinesische Unternehmen dominieren zunehmend die globale Baumaschi­nenindustrie. Für den Weltmarkt und insbesondere für die Emerging Markets der Zu­kunft sind sie ideal aufgestellt und setzen ihren Wachstumskurs konsequent fort. Sie verfügen über das, was in den neuen Märkten vorrangig gebraucht wird: ein robus­tes, technisch einfaches Produkt zu erschwinglichen Preisen mit der Möglichkeit zur Selbstreparatur. Westliche Unternehmen agieren zwar zum Teil ebenfalls in den auf­strebenden Regionen, sind jedoch stark in ihrer Nische verhaftet. Zudem mangelt es ihnen an Aggressivität und Tempo bei der Umsetzung ihrer Wachstumsziele. Um mit­halten zu können, müssen die westlichen Hersteller ihre globalen Standortnetze und ihre Produktportfolios anpassen. Darüber hinaus steht der Baumaschinenindustrie eine gewaltige Konsolidierungswelle bevor. In den nächsten zwei Dekaden werden bis zu 50 Prozent aller Baumaschinenhersteller ihre Eigenständigkeit verlieren. Für westliche Un­ternehmen besteht dringender Handlungsbedarf - dies sind einige der Ergebnisse der Oliver Wyman-Analyse „Eine chinesische Industrie entsteht“.

Die globale Baumaschinenindustrie wird in den kommenden Jahren weiter wachsen, wenn auch nicht so stark wie vor und nach der Wirtschaftskrise. Mit einem durch­schnittlichen jährlichen Anstieg von 2,6 Prozent legt das Gesamtmarktvolumen von 2012 bis 2020 um knapp 25 Prozent zu. Dabei wachsen die etablierten Märkte in Westeuropa, Nordamerika, Japan und Südkorea bis 2020 allerdings nur um durch­schnittlich 1,6 Prozent im Jahr. An Dynamik einbüßen wird auch der chinesische Bau­maschinenmarkt, der Wachstumsmotor der letzten Jahre schlechthin. Die herben Marktrückgänge in einigen Sektoren im Jahr 2012 haben bereits zu einer ersten Kor­rektur des Booms geführt. Auch in den kommenden Jahren ist hier von deutlich ge­ringeren Zuwachsraten auszugehen - ein wesentlicher Faktor ist ein auf Sicht poten­ziell gedämpftes gesamtwirtschaftliches Wachstum. Hinzu kommen die erheblichen Produktivitätsreserven sowohl im Maschinenpark als auch in der gesamten chinesi­schen Bauwirtschaft. Die Anzahl der Baumaschinen pro Kopf liegt in China in etwa auf westlichem Niveau. Würden diese Maschinen auch westliche Produktivität auf­weisen, könnte in China erheblich mehr Bauleistung erbracht werden, ohne dass die aktuellen Verkaufszahlen gesteigert werden müssten.

Baumaschinenindustrie wächst entlang des Äquators

Da die klassische Triade (Westeuropa, Nordamerika, Japan/Südkorea) sowie China als Treiber künftig eine geringere Rolle spielen werden, findet das Wachstum der globalen Baumaschinenindustrie vor allem entlang des Äquators statt. Hier sind bis 2020 durch­schnittliche jährliche Wachstumsraten von vier bis fünf Prozent möglich, in Einzelfällen wie in Indonesien auch mehr. Dabei tun sich neben den ungebrochen wachstumsdy­namischen Märkten Brasilien und Indien insbesondere Länder wie Vietnam, Kambod­scha, Malaysia sowie Teile des afrikanischen Kontinents hervor. Letztere haben erst rund 20 Prozent ihres langfristigen Marktpotenzials erreicht. Zum Vergleich: Die Tria­demärkte sind bereits bei 85 Prozent angekommen, China bei 75 Prozent. In Summe werden die neuen Schwellenländer entlang des Äquators ihr Marktvolumen bis 2020 um rund ein Drittel steigern und dann einen Anteil von fast 30 Prozent am Weltmarkt aufweisen. „Hier steht ein völlig neues Marktvolumen zur Verteilung an“, betont Dr. Romed Kelp, Partner und Baumaschinenexperte bei Oliver Wyman. „Eine Verdrängung ist nicht erforderlich. Neue Kunden werden bedient und bei entsprechendem Vorgehen langfristig gebunden.“

Chinesische Hersteller klar im Vorteil

Besonders die chinesischen Baumaschinenhersteller sind laut aktueller Oliver Wyman-Analyse perfekt aufgestellt, um die klassischen Schwellenländer und die Nachfrage in den neuen Märkten zu bedienen. Sie verfügen über sehr breite Produktprogramme, die den gesamten Maschinenbedarf im Tief- und Hochbau abdecken - sowohl für schwere als auch für leichtere Arbeiten. Zudem sind die Produkte weniger als westliche Ma­schinen auf spezifische Aufgaben ausgelegt. Weitere Vorteile sind die einfache Tech­nik, die Eigenreparaturen ermöglicht, und vergleichsweise niedrige Anschaffungskos­ten.

Darüber hinaus sind die Chinesen überaus aktiv und findig beim Erschließen neuer Ab­satzregionen. Durch die staatliche Finanzierung von Infrastrukturprojekten, begleiten­de Investitionen in Rohstoffexploration oder Produktionsstätten sowie klassische Ab­satzfinanzierung schaffen die Unternehmen ihren eigenen Markt. Zusätzlich investieren sie mittlerweile mehr und mehr in Produktqualität und lokale Serviceinfrastrukturen. Entsprechend schnell müssen westliche Unternehmen reagieren. Sammeln die Nutzer in den lokalen Märkten erst einmal Erfahrung mit den chinesischen Produkten und sind Strukturen wie Servicenetze und Ersatzteilversorgung entstanden, werden sie nur mit erheblichem Aufwand von westlichen Produkten zu überzeugen sein.

Konsolidierungswelle steht bevor

Die Industrie steht global am Scheideweg. Ihre Struktur wird sich in den kommenden Jahren drastisch wandeln. Noch stammen mit Caterpillar, Komatsu, Hitachi, Volvo und Liebherr die fünf umsatzstärksten Unternehmen der Branche aus der Triade. Doch ge­trieben durch den großen Heimatmarkt und die systematische und rasante Erschlie­ßung neuer Emerging Markets seitens der chinesischen Hersteller werden es im Jahr 2020 höchstens noch drei sein. Auf Platz sechs und sieben der Rangliste lauern mit Sany und Zoomlion schon jetzt zwei Player aus der Volksrepublik. Bemerkbar macht sich zudem die von den chinesischen Anbietern vorangetriebene Konsolidierung. Künf­tig kommen die Topunternehmen auf einen deutlich höheren Anteil am Gesamtmarkt.

Getragen vom globalen Markterfolg werden sich die chinesischen Baumaschinenher­steller zunehmend durch Produkt- und/oder regionale Unternehmenszukäufe breiter aufstellen und ihre Position weiter ausbauen. Dabei wird die Zahl der Anbieter aus der Volksrepublik von heute etwa 200 auf nur noch rund 50 im Jahr 2020 deutlich zurück­gehen. Deren Ziel wird sein, nicht nur Bauvorhaben noch umfassender aus einer Hand mit Maschinen zu beliefern und neben dem Maschinenpark auch das Betriebspersonal zu stellen, sondern auch die eigene technologische Kompetenz bei den wichtigsten Komponenten einer Baumaschine zu steigern. Auch befürwortet die Administration in China eine gewisse Konzentration unter den Baumaschinenherstellern, um schlagkräf­tige Konzerne zu schaffen und so die Umsetzung ihrer industriepolitischen Ziele zu erleichtern. „Die vergangenen 15 Monate haben aber gezeigt, dass sich die Branchen­konsolidierung keineswegs nur auf China beschränken wird“, betont Dr. Tom Sieber von Oliver Wyman. „Zwar spielten sich die jüngsten Übernahmen von etablierten Marktteilnehmern wie Schwing in bestimmten Nischensegmenten ab, doch Kauf oder signifikanter Anteilserwerb eines größeren westlichen Anbieters dürften bei chinesi­schen Playern schon bald auf dem Programm stehen. Und auch M&As unter westli­chen Herstellern sind absehbar.“

Enormer Handlungsdruck für westliche Hersteller

Mit ihren technologisch führenden, sehr effizienten und stark auf die spezifischen Be­darfe der Kunden zugeschnittenen Maschinen sind die westlichen Anbieter optimal für die etablierten Märkte aufgestellt. Doch in den Zukunftsmärkten wird das Absatzpo­tenzial für Premiumprodukte stark begrenzt bleiben. Zudem haben die westlichen Her­steller für diese Regionen in der Regel bisher keine adäquaten Produkte. So ist das Wohl der Baumaschinenhersteller aus Westeuropa, Nordamerika, Japan und Südkorea zum überwiegenden Teil mit der Entwicklung der Triade und des Premiumsegments in China verknüpft.

Gerade für die mittelgroßen europäischen Hersteller, die nach wie vor den Löwenanteil ihres Geschäfts in den klassischen Märkten machen, dürfte ein Einfrieren von öffent­lichen Bauinvestitionen sowie eine länger anhaltende wirtschaftliche Schwächephase in Südeuropa zur Nagelprobe werden. Caterpillar wiederum hat es durch immense In­vestitionen und geschickte M&A-Transaktionen geschafft, eine bedeutende Position in China einzunehmen. Auch andere etablierte Player sichern sich durch Beteiligungen an chinesischen Anbietern den Zugang zu Produktplattformen für die aufstrebenden Länder.

Die westlichen Hersteller müssen dringend handeln, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit auch ihre Eigenständigkeit langfristig zu sichern. Im Wesentlichen gilt es, das Produktportfolio top-down zu erweitern und entsprechend den Kundenbedürfnissen in wachsenden Märkten anzupassen, um auch künftig am globalen Wachstum partizipie­ren zu können. Ziel muss sein, sich preislich den chinesischen Anbietern soweit anzu­nähern, dass die Maschinen in Kombination mit Merkmalen wie Produktqualität, Marke oder „westlichen“ Serviceleistungen und -qualität für Kunden in den Zukunftsmärkten eine wirkliche Alternative darstellen.

Strategien überdenken

Lassen sich die neuen Produkte nicht mit der Premiummarke vereinbaren, sollte über die Einführung möglicher Zweitmarken nachgedacht werden. Auch wird es mittel- bis langfristig unumgänglich sein, eigene Vertriebs-, Service- und Produktionsstandorte in den Wachstumsregionen aufzubauen beziehungsweise bestehende Strukturen zu er­weitern und zu professionalisieren. So ist es möglich, ausreichend Kundennähe sicher­zustellen und gleichzeitig von Standortvorteilen zu profitieren. Positive Begleiterschei­nung der „Budgetprodukte“ für Premiumprodukte: Sie schaffen einerseits Volumen für einen effizienteren Vertrieb und führen zu stärker genutzten und daher professionelle­ren Servicenetzen sowie einer verbesserten Ersatzteillogistik. Andererseits schirmen sie den lukrativen Premiumbereich ab. „Die Industrie dreht sich schneller als in den letzten Dekaden“, erklärt Kelp. „Die westlichen Baumaschinenhersteller sollten die ak­tuelle Wettbewerbssituation für ihr Unternehmen genau durchleuchten, ihre Strategien überdenken und gegebenenfalls neu definieren. Darüber hinaus gilt es, zielgerichtete Aktionsprogramme aufzusetzen und konsequent umzusetzen.“

Die fünf Treiber in den neuen Märkten

Die Wirtschaftsdynamik in Indonesien, Vietnam, Kambodscha, Malaysia sowie Teilen des afrikanischen Kontinents wird durch folgende fünf Faktoren getrieben:

  • Erschließung beachtlicher Rohstoffvorkommen oder Aufbau eines spezifischen Fertigungsschwerpunkts im Rahmen der Globalisierung
  • Hoher Bedarf an Infrastrukturprojekten, etwa dem Ausbau des Straßen- und Schienenverkehrsnetzes oder von Flughäfen als Basis für die lokalen Wachs­tumsindustrien
  • Steigender Wohlstand verbunden mit weiterer Bautätigkeit besonders im Hoch­bau - Produktions- und Lagerhallen, Verwaltungs- und Wohngebäude - ent­stehen
  • Geringer Mechanisierungsgrad der lokalen Bauindustrie mit schwachem oder technologisch überaltertem Baumaschinenbestand
  • Keine oder unzureichend leistungsfähige einheimische Baumaschinenindustrie

siehe auch für zusätzliche Informationen:

  • Oliver Wyman
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