Baulinks -> Redaktion  || < älter 2008/1265 jünger > >>|  

Mit dem Bauplanungsrecht gegen Kohlekraftwerke

(27.7.2008) Städte und Gemeinden haben bessere Möglichkeiten, den Neubau von Kohlekraftwerken auf ihrem Gebiet zu verhindern, als bisher angenommen. Das geht aus einem Rechtsgutachten hervor, das der Hamburger Verwaltungsrechtler Prof. Martin Wickel im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) erarbeitet hat. Die DUH stellte das Gutachten am 25.7. in Mainz gemeinsam mit Vertretern der Bürgerinitiative Kohlefreies Mainz (KoMa) vor. Die Ergebnisse des Gutachtens stärken die lokalen Bürgerinitiativen und kommunalen Entscheidungsträger, die sich gegen umwelt-, gesundheits- und klimaschädliche Kohlekraftwerke einsetzen.

Der Hebel, über die Kommunen Einfluss nehmen können, ist die so genannte Bauleitplanung, die sich in der Trägerschaft der Kommunen befindet. Bisher galten die Möglichkeiten von Städten und Gemeinden, von denen viele den Neubau so genannter "Klima-Killer-Kraftwerke" mehrheitlich ablehnen, zur Abwehr solcher Projekte als begrenzt, weil Kohlekraftwerke nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigt werden. Diese Genehmigungen sind so genannte "gebundene Entscheidungen", das heißt sie stehen nicht im Ermessen der Behörden, sondern müssen immer dann zwingend erteilt werden, wenn das beantragte Kraftwerksprojekt die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt. Allerdings zählt zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach dem BImSchG auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, die sich in erster Linie nach den Regelungen im Baugesetzbuch (BauGB), insbesondere der so genannten Bauleitplanung, bestimmt. Mit der Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans können die Kommunen festlegen, was in bestimmten Regionen ihres Stadtgebiets geht und was nicht. Grundsätzlich gilt  dies auch für die Frage der Zulässigkeit neuer großer Kohlekraftwerke.

"Der Neubau von Kohlekraftwerken steht heute nicht nur in einem unauflösbarem Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung, er greift auch massiv in die Entscheidungsspielräume von Städten und Gemeinden und die ihrer Bürger ein, wenn diese sich  ambitionierte Umweltschutzziele setzen. Ein einziger großer Kohleblock macht mit seinen enormen Treibhausgas-Emissionen hundert andere Einzelmaßnahmen zum Klimaschutz zunichte und führt noch dazu zu einer höheren lokalen und regionalen Belastung mit klassischen Schadstoffen wie etwa Feinstaub", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. Um hier die Chancen der Betroffenen im Einzelnen zu klären, habe die DUH die Expertise bei Prof. Wickel von der HafenCity Universität in Hamburg in Auftrag gegeben. "Wir sehen die Ergebnisse des Gutachtens als Mutmacher für all jene, die versuchen, auch solche Projekte noch wirksam zu bekämpfen, deren Planung bereits begonnen hat", erklärte Baake. Grundsätzlich kann ein Bebauungsplan ein Kraftwerk auch dann noch verhindern, wenn das Genehmigungsverfahren schon läuft.

Die Bebauungspläne, die die Städte zum Schutz gegen den Neubau von Kohlekraftwerken aufstellen, müssen städtebaulich begründet sein, wobei etwa die Erfordernisse des Natur-, Umwelt- und Gesundheitsschutzes eine Rolle spielen können. So können Stadtgebiete festgelegt werden, in denen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur eingeschränkt verwendet werden dürfen. Dazu kann auch die Verbrennung von Kohle zur Energiegewinnung zählen. Bereits vorbelastete Gebiete, solche, in denen ein Luftreinhalteplan gilt, oder etwa Naherholungsgebiete können besonders gegen zusätzliche Luftverunreinigungen geschützt werden, geplante Projekte müssen sich auch baulich in die Eigenart der Umgebung einfügen. Andererseits dürfte nach dem Ergebnis des Gutachtens der Klimaschutz allein als städtebauliche Begründung für den Ausschluss eines Kohlekraftwerks nicht ausreichen.

"Auch nach diesem Gutachten gilt: Jeder Einzelfall liegt anders und muss konkret bewertet werden", erläuterte Cornelia Nicklas, die Leiterin Recht der DUH. So müssten bei der Aufstellung des Bebauungsplans etwa bestehende Nutzungsrechte beachtet und gegen positive Zielvorstellungen, wie etwa den Umwelt- und Gesundheitsschutz im Planungsgebiet sorgfältig abgewogen werden.

Um zu verhindern, dass während der Aufstellung des Plans Fakten geschaffen werden, kann die Gemeinde unmittelbar nach dem Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans eine so genannte Veränderungssperre beschließen, erläuterte Nicklas. Die Veränderungssperre ist zulässig, sofern andernfalls die ins Auge gefasste Planung für das Gebiet zum Beispiel durch Baumaßnahmen für ein Kohlekraftwerk gefährdet wäre.

Die Bürgerinitiative Kohlefreies Mainz (KoMa) sieht sich durch das 75-seitige Gutachten in ihrer Position bestärkt. "Wir verfügen nun über eine klare juristische Bestätigung des jüngst im Mainzer Stadtrat verabschiedeten Beschlusses zum Bebauungsplan am Industriestandort Ingelheimer Aue", sagte der BI-Vorsitzende Christof van den Bruck "Die Stadträte haben im Interesse und zum Wohle der hier lebenden Menschen richtig entschieden". In Mainz liege die rechtliche Zulässigkeit sogar besonders klar auf der Hand, weil die Aufstellung eines Bebauungsplans wegen der sich ständig ändernden Bedingungen in und um den Industriestandort Ingelheimer Aue ohnehin "zwingend notwendig und längst überfällig" gewesen sei. Bisher habe inmitten des Mainzer Stadtgebiets "eine große bauplanerische Lücke" geklafft. Das geplante Kohlekraftwerk sei schon deshalb unzulässig, weil das Kesselhaus mit einer Höhe von ca. 110 Metern die umliegende Bebauung weit überrage. Es passe sich also in seiner Bauweise gerade nicht der Umgebung an, wie es das Baugesetzbuch verlange. "Das beantragte Kraftwerk der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG ist nach Paragraf 34 Baugesetzbuch schon jetzt nicht genehmigungsfähig", stellte van den Bruck fest.

Der BI-Vorsitzende erinnerte daran, dass der Bebauungsplan auch dazu dienen solle, "das Ausmaß der Luftverunreinigungen in Mainz im Sinne der hier lebenden und arbeitenden Menschen soweit als möglich zu begrenzen." Die Stadt sei 2007 nur knapp verpflichtenden Maßnahmen zur Schadstoffminimierung entgangen und habe als Gegenmaßnahme bereits einen Luftreinhalteplan aufgestellt. Das Gutachten von Prof. Wickel weise ausdrücklich darauf hin, dass Städte berechtigt seien, mit Hilfe ihrer Bauleitplanung Umweltvorsorge für ihre Bürger zu betreiben. "Und was liegt da näher, als einen riesigen Einzelemittenten wie das geplante Kohlekraftwerk, der jährlich alleine ca. 400 t gefährlichen Feinstaubs und 4000 t Stickoxide ausstoßen würde, zu unterbinden? Das tut die Stadt Mainz nun zu Recht und sorgt so für mehr Klimaschutz und sauberere Luft - ganz im Interesse der hier lebenden Menschen", schloss van den Bruck.

siehe auch für weitere Informationen:

ausgewählte weitere Meldungen:

Impressum | Datenschutz © 1997-2024 BauSites GmbH