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Statements zum 15. Wohnungsbau-Tag am 11. April 2024 in Berlin

(12.4.2024) Die Folgen der Wohnungsbau-Krise wird die deutsche Wirtschaft insgesamt hart treffen. Davor haben Experten auf dem Wohnungsbau-Tag am 11. April 2024 in Berlin gewarnt. Zwei Wohnungsbau-Studien, die auf dem Branchen-Gipfel vorgestellt wurden, zeigen für das Bauen und Wohnen in Deutschland eine düstere Prognose.

DIW-Studienleiter Prof. Martin Gornig (Bild: impulse-fuer-den-wohnungsbau.de) 

DIW-Studie

Zum ersten Mal untersuchten Wissenschaftler gezielt die wirtschaftliche Bedeutung des Wohnungsbaus. Das Beratungsunternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Econ) ermittelte dabei für die Wohnungsbaubranche eine Bruttowertschöpfung von insgesamt rund 537 Mio. Euro für 2023. Der Wohnungsbau stecke damit hinter jedem siebten Euro der gesamten Bruttowertschöpfung in Deutschland.

Auch jeder siebte Arbeitsplatz habe mit dem Wohnungsbau zu tun. Hier sei es im vergangenen Jahr um die Jobs von knapp 6,6 Mio. Menschen gegangen, davon allein 2,3 Mio. mit einem Arbeitsplatz direkt in der Wohnungsbaubranche. Auch finanzpolitisch hat der Wohnungsbau Gewicht. Hinter ihm steckten 2023 Steuereinnahmen von 141 Mrd. Euro, das entspricht 17% der gesamten Steuereinnahmen in Deutschland.

Die Gesamtinvestitionen in den Wohnungsbau sind drei Jahre in Folge rückläufig. Das DIW erwartet in diesem Jahr beim Wohnungsbauvolumen sogar einen deutlichen nominalen Rückgang von 5,4%. Allein für den Staat würde das gegenüber dem Vorjahr ein Minus von fast 5 Mrd. Euro bei den Steuereinnahmen bedeuten.

„Der Wohnungsbau ist ein wichtiger Enabler für die Wirtschaft – ein ,Möglichmacher von Beschäftigung´. Fachkräfte werden gerade in den Ballungsräumen dringend gebraucht. Sie wollen kommen. Aber sie werden nicht kommen, wenn sie keine Wohnung finden, die sie sich leisten können”, sagt DIW-Studienleiter Prof. Martin Gornig.

Die gesamte DIW-Studie zum Wohnungsbau-Tag 2024 ist hier als PDF verfügbar: Die Wirtschaftskraft hinter dem Wohnungsbau

ARGE-Studie

Laut der ARGE-Studie zum Wohnungsbau-Tag leben derzeit etwa 9,3 Mio. Menschen in Deutschland in überbelegten Wohnungen, was 11% der Bevölkerung entspricht. Besonders armutsgefährdete Personen sind stark betroffen, wobei mehr als jeder Fünfte von ihnen in beengten Verhältnissen lebt. „Durch die Krise im Wohnungsbau eskaliert die Wohnungsnot. Gelingt es nicht, die Krise abzuwenden, folgt den wohnungsbaupolitischen Defiziten ein sozialpolitisches Versagen”, warnt das Wohnungsbau-Bündnis.

„Es ist einfach fatal, dass die Bevölkerung in den relevanten Regionen deutlich schneller wächst als die Anzahl der Wohnungen. Und außerdem ist es, auch schon mit Blick auf die Altersvorsorge, verhängnisvoll, dass sich immer weniger Menschen einen Neubau als Wohneigentum leisten können. Die Folge liegt auf der Hand: Wer sich früher seine eigenen vier Wände anschaffen konnte, drängt heute auf den ohnehin überstrapazierten Mietwohnungsmarkt”, sagt ARGE-Studienleiter Prof. Dietmar Walberg.

Die gesamte ARGE-Studie ist hier als PDF verfügbar: Bauforschungsbericht Nr. 88

Robert Feiger, IG BAU-Bundesvorsitzender: Kein „Weiter so!”

„In der Wohnungsbau-Krise kann und darf es politisch kein ,Weiter so!’ geben. Dafür steht zu viel auf dem Spiel. Politisch bringt die Lage, in der der Wohnungsbau steckt, ein Dreifach-Risiko: ein soziales, ein wirtschaftliches und ein ökologisches Risiko. ... Ein massiver Mangel an Sozialwohnungen und an bezahlbaren Wohnungen bedeutet: Deutschland steckt mitten in der ,sozialen Wohn-Spaltung’ der Gesellschaft. Wenn der Staat Wohnungen verspricht, die die Menschen nicht bekommen, dann ist die Gefahr groß, dass viele billigen Versprechungen anderer hinterherlaufen, die am extremen politischen Rand stehen. Spätestens jetzt muss allen klar sein: Die Wirtschaft in Deutschland hängt am Wohnungsbau. Und der hängt am seidenen Faden. ... Das Klimaschutzziel im Gebäudebereich ist nur mit einer starken Kapazität – von Mensch und Maschine – im Wohnungsbau zu erreichen. Geht die Branche jetzt in die Knie, wird sich die Politik auch von der bis 2045 angestrebten Klimaneutralität verabschieden müssen”.

Katharina Metzger, BDB-Präsidentin: Wohnungsbaupolitik im Elfenbeinturm

„Nach zwei Jahren Ampelkoalition muss man feststellen: Das Ziel von 400.000 Neubau-Wohnungen war engagiert. Aber die Maßnahmen passen nicht zum gesteckten Ziel: Durch das Streichen von Förderungen und durch immer höhere Standards, die die Baukosten nach oben treiben, bremst der Staat den Wohnungsbau enorm. Das Abwürgen des Wohnungsbaus zeigt schon Schleifspuren in der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Deutschland ist vom Zugpferd in Europa innerhalb kurzer Zeit zum Bremser des Wachstums geworden.

Wie die DIW Studie zeigt, ist der Wohnungsbau notwendig, um gesamtwirtschaftlich eine Wende zu bewirken. Der Wohnungsbau ist Voraussetzung für ein Wachstum – vor allem auch bei den neuen Technologien, für die Arbeitskräfte gewonnen werden müssen. Außerdem für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft und für das Erreichen der Ziele im Klimaschutz. Deshalb fordern wir Klarheit und Berechenbarkeit in den Förderbedingungen: Kein Kleckern mehr, sondern deutliche Akzente, die einen Effekt beim Neubau von Wohnungen bringen. ... ,Wohnungsbaupolitik im Elfenbeinturm’ verhindert den Neubau von Wohnungen, vor allem das Schaffen von bezahlbaren Wohnungen. Wer High-End-Standards will, soll sie bezahlen, aber nicht mit Steuermitteln”.

Axel Gedaschko, GdW-Präsident: 1%-Zins, serielle und modulare Bauweise

„Unsere Unternehmen sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen gezwungen, den Neubau einzustellen, denn er ist nicht mehr bezahlbar, weder für die Bauherren noch für die künftigen Mieter. Während der Neubau massiv einbricht, bleibt die Wohnungsnachfrage vor allem mit Blick auf die starke Zuwanderung auf einem hohen Niveau. Die dramatische Lage auf den Wohnungsmärkten wird sich in den kommenden Jahren also weiter zuspitzen.

Ein wirksames Maßnahmenpaket statt Stückwerk von zu zaghaften Lösungen ist deshalb dringend notwendig. Um der anhaltenden Krise im Wohnungsbau endlich entgegenzuwirken brauchen wir an erster Stelle ein breit angelegtes Zinsprogramm für den bezahlbaren Wohnungsbau. Ein Zinssatz von 1% könnte die Bautätigkeit enorm ankurbeln. Die daraus entstehenden Steuereinnahmen für den Staat gleichen die Kosten der Zinssubvention wiederum aus. In Kombination mit der günstigeren seriellen und modularen Bauweise können Wohnungsunternehmen dann auch bezahlbare Mieten von 12 Euro pro m² garantieren, statt der derzeit notwendigen mindestens 18 Euro pro m², die sich kaum jemand noch leisten kann”.

Dirk Salewski, BFW-Präsident: Wohnungsbau wieder bezahlbar machen

„Wohnungsbau ist eine der tragenden Säulen der deutschen Wirtschaft. Wir wollen bauen, doch nur bei bezahlbaren, leistbaren Standards kann der Wohnungsbau sein Potential für die Konjunktur entfalten. Wir haben einen hohen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bei gleichzeitig viel zu hohen Baukosten, auch aufgrund von viel zu hohen Bau-Standards. Uns muss es gelingen, neue Wege zu finden, um kostengünstigere, einfachere Neubauten zu ermöglichen. Wir brauchen dazu ein klares Regelwerk für vertragliche Vereinbarungen von Bauleistungen. Sonst scheitern wir an der Herkules-Aufgabe, Wohnungsbau in Deutschland wieder bezahlbar zu machen. Das können wir uns wirklich nicht leisten!”

Dr. Hannes Zapf, DGfM-Vorsitzender: Ampel-Förderung 2023 nur 96.000 Wohnungen

„Wer über die Ursachen des Absturzes beim Wohnungsbau spricht, darf nicht nur über Zins- und Baukostensteigerungen sprechen, sondern muss auch auf die veränderten Förderbedingungen eingehen. Ein Finanzminister Scholz hat über die KfW im Jahr 2021 noch 41 Mrd. Euro für den Neubau und die Sanierung an private Investoren im Wohnungsbau bereitgestellt. Unter einem Bundeskanzler Scholz wurde diese Förderung auf 17 Mrd. Euro im Jahr 2023 reduziert, obwohl die Wohnungsbauziele um ein Drittel höher waren und der Finanzierungsbedarf infolge von Standarderhöhung und Zinswende enorm anstieg. Während in der Zeit von 2017 bis 2021 nie weniger als 200.000 Wohneinheiten jährlich im Neubau gefördert wurden, waren es im Jahr 2023 nur noch ca. 96.000. Die Wohnungsbaukrise ist damit durch die Halbierung der Förderung auch hausgemacht. Wohnungsbauziele, Fördermittel und Förderbedarf stehen in einem auffälligen Missverhältnis und müssen schnellstmöglich wieder in eine gut ausgestattete Wohnungsbauförderung mit Breitenwirkung zusammengeführt werden.”

Lukas Siebenkotten, DMB-Präsident: Jeder 3. Mieter überlastet

„Der Wohnungsbau steckt in einer tiefen Krise. Das spüren die Mieterinnen und Mieter jeden Tag im Portemonnaie. Nahezu flächendeckend steigen die Angebotsmieten im Vergleich zum Vorjahr fast zweistellig. Die Wohnkostenbelastung hat besorgniserregende Ausmaße angenommen: Jeder dritte Mieter ist finanziell überlastet. Bisher warten die 21 Mio. Mieterhaushalte in diesem Land vergeblich auf die Umsetzung des Koalitionsvertrages im Bereich Mietrecht. Der Justizminister glänzt an dieser Stelle mit Arbeitsverweigerung. Und auch der dringend benötigte Neubau von bezahlbaren Miet- und Sozialwohnungen kommt kaum voran, weil es den drei Koalitionsparteien an einem gemeinsamen politischen Konzept mangelt. Ausbaden müssen das die Mieterinnen und Mieter in diesem Land, die vor existenziellen Sorgen stehen.

Wolfgang Schubert-Raab, ZDB-Präsident: Bau braucht dringend Aufträge

„Die Auftragsflaute im Wohnungsbau ist dramatisch. Die Auftragsbücher sind leer. Kaum einer hat den Mut, in den Wohnungsbau zu investieren. Dabei brauchen wir jetzt dringend Anschlussaufträge, um die Beschäftigen zu halten. Das Wohnungsbauziel der Bundesregierung von 400.000 Wohnungen pro Jahr bleibt ein leeres Versprechen, wenn jetzt nicht endlich ein echter Bau-Push kommt. Dafür müssen die Baukosten gesenkt werden. ,Einfach Bauen’ muss zivilrechtlich abgesichert werden, damit das Bauen nach Mindeststandards breit angewendet wird. Der Weg dorthin wurde auf dem Wohngipfel mit der Entwicklung einer ,Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E’ aufgezeigt, aber die Umsetzung ist bis heute auf der Strecke geblieben. Zusätzlich brauchen wir höhere und langfristig abgesicherte Fördervolumina, damit die Investoren und Häuslebauer die Finanzierungskosten stemmen können.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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