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Wärmenetze: Wann sich der Anschluss an ein Nah- oder Fernwärmenetz lohnt

(10.7.2023) Wärmenetze werden neben Wärmepumpen eine große Rolle im Heizungsmix der Zukunft spielen. Sie versorgen mehrere Gebäude bis hin zu ganzen Stadtteilen effizient mit Energie für Heizung und Warmwasser. Künftig sollen sie ausgebaut und immer grüner werden. Für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer ist die Nutzung äußerst komfortabel. Sie sollten daher prüfen, ob der Anschluss an ein Wärmenetz in ihrer Straße in den nächsten Jahren möglich ist. Darauf weist das vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderte Informationsprogramm Zukunft Altbau hin. Die leitungsgebundene Wärmeversorgung bietet enorme Vorteile: Wer sich an ein Wärmenetz anschließt, benötigt keine eigene Heizungsanlage und keinen Raum zur Lagerung von Brennstoffen mehr, ist weniger abhängig von Preissteigerungen bei fossilen Energieträgern und zahlt oft geringere Wärmepreise. Vor allem in dicht besiedelten Gebieten mit Mehrfamilienhäusern sind Wärmenetze eine sinnvolle Alternative zu individuellen Heizanlagen.

Klassische Wärmenetze eignen sich insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, da es hier oft an Platz für Wärmepumpen zwischen den Häusern fehlt. (Bild: KEA-BW / triolog) 

Erneute Zinswende auf absehbare Zeit unwahrscheinlich

Laut Interhyp-Daten haben sich die Zinssätze für zehnjährige Darlehen im Juni wie bereits im April und Mai zwischen etwa 3,7 und 3,9% bewegt und liegen aktuell bei 3,79%. Über 15 Jahre angelegte Kredite sind Anfang Juli nur rund 10 bis 15 Prozentpunkte teurer. Sie bieten im Gegenzug jedoch mehr Kalkulationssicherheit und eine gesetzliche Ausstiegsoption nach zehn Jahren.
Nach Meinung der im Rahmen des Trendbarometers befragten Experten sollten angehende Immobilienkäuferinnen die Entschlossenheit der amerikanischen Notenbank FED und der Europäischen Zentralbank EZB nicht unterschätzen. „So lange die Notenbanker derart deutlich weitere Zinsschritte in Aussicht stellen, sollte man nicht auf eine erneute Zinswende hoffen. Die jetzige Zinslandschaft könnte uns mit Blick auf die aktuellen wirtschaftlichen und konjunkturellen Rahmendaten längere Zeit begleiten“, sagt Mirjam Mohr.

Anteil der Nah- und Fernwärme am Endenergieverbrauch liegt derzeit bei rund 14%

Wärmenetze transportieren heißes Wasser von einem zentralen Heizwerk über gedämmte Rohre und Wärmetauscher, so genannte Hausübergabestationen, in die einzelnen Haushalte. Die Technik ist äußerst wartungsarm und im Haus platzsparend. Derzeit liegt der Anteil der Nah- und Fernwärme am Endenergieverbrauch der deutschen Haushalte bei rund 14% – jeder siebte Haushalt nutzt also die zentrale Heiztechnik. Rund sechs Millionen Gebäude sind an Wärmenetze angeschlossen. Pro Jahr sollen 100.000 Gebäude hinzukommen, so das Ziel der Bundesregierung. 

Doch das reicht für die angestrebten Klimaschutzziele bei Weitem nicht. In Deutschland sollen künftig zu 30 bis 50% der Gebäude mit Fernwärme beheizt werden. Um bis 2045 auf einen Anteil von beispielsweise 40%t zu kommen, braucht es pro Jahr rund 500.000 neue Wärmenetzanschlüsse. Zum Vergleich: In Dänemark liegt der Anteil der Nah- und Fernwärme an der Wärmeversorgung bereits heute bei 65% – die erneuerbaren Energien kommen in den Netzen aktuell ebenfalls auf einen Anteil von 65%. Das ist möglich, weil bereits in weit über 100 Städten und Gemeinden Dänemarks großflächige Freiflächen-Solarthermieanlagen 15 bis 60% zur Fernwärmeversorgung beitragen. 

Auch in Österreich, Deutschland, Frankreich und Schweden ist die netzgebundene Solarthermie stark im Kommen. Das Spektrum reicht von der Versorgung einzelner Quartiere über ganze Gemeinden bis hin zu ganzen Städten – die zweitgrößte Stadt Österreichs, Graz, plant ihr Fernwärmenetz vollständig zu dekarbonisieren. Zur Versorgung sollen unter anderem bis zu 450.000 m² Solarthermie-Kollektoren beitragen.
In Deutschland stammt die Energie in Wärmenetzen aktuell zu rund 23% aus erneuerbaren Energien und Abwärme. Bei den restlichen 77% wird meist Erdgas und Kohle verheizt, in vielen Fällen mit Kraft-Wärme-Kopplung kombiniert. Damit steigt die Energieausbeute von rund 50 auf 80%. Eine der bislang größten Solarthermieanlagen in Deutschland steht in Ludwigsburg. Mit einer Kollektorfläche von 14.800 m² spart das Projekt rund 3.700 Tonnen CO₂ pro Jahr ein. Hier gibt es also noch viel Luft nach oben.

Wärmenetze müssen grüner werden

Künftig müssen die Wärmenetzbetreiber den fossilen Anteil vollständig ersetzen. „Als Energielieferanten kommen etwa Großwärmepumpen, große solarthermische Anlagen, Geothermie, Bioenergie und Abwärme aus industriellen Prozessen in Frage“, erklärt Dr. Max Peters, Leiter des Kompetenzzentrums Wärmewende der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg. (KEA-BW). „Die verschiedenen erneuerbaren Wärmequellen können auch kombiniert werden und garantieren so eine ganzjährig sichere Versorgung mit langfristig stabilen Kosten. Dort, wo Wärmenetze noch einen hohen fossilen Anteil haben, werden die Betreiber bald zur Erstellung von so genannten Transformationsplänen zur Dekarbonisierung ihrer Netze verpflichtet werden. Das ist eine wichtige Perspektive für die Mehrheit der noch fossil befeuerten Netze im Land.“

Fossile Abkehr ist bei Wärmenetzen einfacher und schneller umsetzbar

Der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien und Abwärme ist bei Wärmenetzen schneller umsetzbar als bei Einzelheizungen. Wird ein Wärmenetz umgerüstet, heizen je nach Größe des Gebiets im Extremfall viele tausende Haushalte auf einen Schlag klimaneutral. Das bringt die Wärmewende in Schwung. So sind in Mannheim mit seinen 310.000 Einwohnenden mehr als 60% der Haushalte an ein Wärmenetz angeschlossen. Bis 2030 soll die Wärme im Netz komplett klimaneutral – hauptsächlich auf der Basis geothermischer Wärme – erzeugt werden. Hätten alle angeschlossenen Haushalte eine eigene Heizung, würde der Austausch wesentlich länger dauern und wäre teurer. 

Wo sind Wärmenetze sinnvoll?

Klassische Wärmenetze eignen sich insbesondere in dicht besiedelten Gebieten. „Vor allem in Städten und Ballungszentren ist der Anschluss an ein Wärmenetz oft die beste Lösung, wenn Öl- und Gasheizungen ausgetauscht werden“, sagt Peters. „Hier können viele große Gebäude an das Wärmenetz angeschlossen werden, das macht das Netz wirtschaftlicher.“ Für die Wärmenetze spricht auch, dass in dicht bebauten Quartieren oft nicht genug Platz für Wärmepumpen zwischen den Häusern ist. Zudem sind die Heizsysteme der oft älteren Gebäude nur eingeschränkt für den Einsatz von Wärmepumpen geeignet.

Aber auch im ländlichen Raum – wenn die Siedlungsdichte einen wirtschaftlichen Betrieb zulässt – kann sich die leitungsgebundene Wärmeversorgung lohnen. Hier trägt oft Bioenergie einen relevanten Beitrag zur Wärmeerzeugung bei. Für einen effizienten Betrieb eines Wärmenetzes ist der ländliche Raum aber nicht immer optimal: Ist das Gebiet dünn besiedelt, sind lange Leitungen für wenige Kunden erforderlich. Dadurch geht viel Wärme während des Transports in die entfernteren Gebäude verloren.
Für Neubaugebiete bietet sich die kalte Nahwärme als etablierte Versorgungstechnologie an. Bei dieser Form wird Wärme zum Beispiel aus Erdsonden über eine Leitung zu den Gebäuden gebracht, in denen dann dezentrale Wärmepumpen die Wärme auf das erforderliche höhere Temperaturniveau bringen.

Wie viel kostet Wärme aus Wärmenetzen?

Es gibt in Deutschland aktuell rund 500 Wärmenetzunternehmen, die knapp 3.800 Wärmenetze betreiben. Je nach Anbieter fallen die Preise unterschiedlich hoch aus. Wer sich jetzt für den Anschluss an ein gut geplantes und im Betrieb optimiertes Wärmenetz entschließt, hat am Ende in der Regel weniger Kosten als bei einer neuen Erdgas-, Öl- oder Pelletheizung. Die Rechnung beruht auf einer Betriebsdauer von 20 Jahren und berücksichtigt alle anfallenden Kosten. „Beim Preisvergleich müssen die Investitionskosten für den Wärmenetzanschluss sowie für den dezentralen Kessel inklusive der Wartungs- und Reparaturkosten mit eingerechnet werden. Ein reiner Vergleich der Wärme- mit den Brennstoffpreisen bringt nichts“, erklärt Frank Hettler von Zukunft Altbau. 

In einem Mehrfamilienhaus mit 600 m² Wohnfläche kommt die KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) in ihrem neuen Wärmepreisrechner damit auf jährliche Wärmenetz-Vollkosten von knapp 37.000 Euro. Zum Vergleich: Die jährlichen Vollkosten bei einem Erdgasbrennwertkessel liegen um etwa 1.300 Euro höher bei rund 38.000 Euro. Nicht berücksichtigt in der Rechnung ist die Förderung eines Wärmenetzanschlusses, sie vergünstigt die Variante Wärmenetzanschluss noch einmal. Aktuell liegt die Förderung bei bis zu 40%. 

Wärmenetze bald so selbstverständlich wie Abwasserleitungen?

Das Potenzial von Wärmenetzen für eine klimaneutrale, komfortable und kostenstabile Wärmeversorgung ist groß, so das Fazit von Frank Hettler. „Wärmenetze könnten künftig in geeigneten Quartieren so selbstverständlich werden wie die Abwasserleitungen in den Kommunen. „Es beharrt auch niemand auf einer eigenen Kläranlage im Garten. Beachtet werden sollte aber immer: Erneuerbare Wärme aus Wärmenetzen sollte – ähnlich wie bei Wärmepumpen – am besten auf niedrigem Temperaturniveau zur Verfügung gestellt werden. Um einzelne Sanierungsmaßnahmen in Kombination mit einem hydraulischen Abgleich kommen viele Gebäude daher künftig nicht herum. 

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