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Quartiersentwicklung Wasserkamp in Hildesheim: Blaupause für grünes und mitbestimmtes Wohnen

(14.3.2023) Mittendrin und aktiv dabei: Die Stadt Hildesheim plant ein neues Wohngebiet - und bezieht die Bürger mit einer Bürgerbefragung schon in der Planungsphase mit ein: Mehr als 600 Anwohner und Interessierte gaben ihr Feedback zum zukünftigen städtebaulichen Konzept und beeinflussen mit ihren Ideen aktiv den Entwicklungsprozess für das 46 Hektar große Wohngebiet Wasserkamp. Mit der Erarbeitung des städtebaulichen Entwurfs sowie des quartiersbezogenen Mobilitäts-, Energie-, Wasser- und Biodiversitätskonzepts unter Beteiligung der Bevölkerung beauftragte die Stadt drei Büros, darunter das Stuttgarter Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE.

Luftbildaufnahme Wasserkamp © Stadt Hildesheim 

Bürgerbeteiligungen sind eine große Chance für Städte und Gemeinden

Partizipation und Transparenz rücken zunehmend in den Fokus von Stadtentwicklung und Stadtplanung. Durch Bürgerbefragungen können sich interessierte Bürger aktiv an der Verbesserung ihrer Kommune beteiligen und mit ihrer Meinung Einfluss auf aktuelle Projekte nehmen - wie beim geplanten Wohnquartier Wasserkamp am Stadtrand von Hildesheim (siehe Google-Maps). Weniger Unmut, mehr Verständnis und die Möglichkeit, eigene Ideen und Wünsche in das Konzept einfließen zu lassen, sind die Vorteile einer frühzeitigen Bürgerbeteiligung.

„Mit dem Wasserkamp soll ein vielfältiges und individuelles Quartier zum Wohnen, Leben und auch Arbeiten entstehen. Dafür brauchen wir ein bürgernahes Konzept, das viele Aspekte für ein lebenswertes Miteinander beinhaltet. Und das wollen wir nicht einfach am Reißbrett planen, sondern aktiv mit den Ideen und Wünschen der Hildesheimer gestalten,“ erklärt Sandra Brouër, Leiterin des Bereichs für Stadtplanung und Stadtentwicklung der Stadt Hildesheim. Mehr als 600 Menschen haben an der Umfrage der Stadt zum geplanten Baugebiet teilgenommen und Wünsche, Anregungen, aber auch Sorgen und Ängste mitgeteilt.

Der Wasserkamp liegt am südlichen Stadtrand von Hildesheim zwischen Itzum und einem Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Gebiet und wird derzeit überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Ein breiter Streifen des FFH-Gebietes schmiegt sich an den Wasserkamp, die Innerste schlängelt sich entlang des geplanten Stadtteils. Auf der Marienburger Höhe fällt der Blick aus dem Quartier auf das unmittelbar angrenzende, steil abfallende FFH-Gebiet und die dahinter liegende Hildesheimer Bördelandschaft - hier kann man stadtnah und doch mitten in der Natur wohnen. Oberstes Gebot bei der Planung des neuen Stadtteils ist der Schutz des angrenzenden Flora-Fauna-Habitat-Gebietes.

Somit soll das neue Wohnquartier Wasserkamp als Blaupause für grünes Wohnen fungieren. Unterstützung erhält die Stadt dabei von einem Planungskonsortium:

  • Die Gesellschaft für Standortentwicklung LOKATION:S hat als erste Phase im Sommer 2022 die Bürgerbeteiligung gesteuert.
  • Diese Ergebnisse flossen in die drei städtebaulichen Varianten ein, die das Stadtplanungs- und Architekturbüro MLA+ erstellt.
  • Die Experten von Drees & Sommer entwickeln städtebauliche Konzepte im Bereich Mobilität, Energie, Wasser und Biodiversität für das Quartier und überwachen die grundsätzliche Machbarkeit.

Aktiv für mehr Partizipation

Bei den Bürgerworkshops im Januar 2023 - der zweiten Phase der Beteiligung nach der Online-Befragung - konnten sich Interessierte informieren und sich vor Ort direkt mit den Projektbeteiligten der drei Büros austauschen: „Mehr grün-blaue Infrastruktur, seniorengerechtes Wohnen oder Anregungen zu den geplanten Radwegen: Die Wünsche aus dem Bürgerworkshop haben wir in unsere Quartiersempfehlungen zu Mobilität, Energie, Wasser und Biodiversität aufgenommen“, berichtet Umweltingenieurin Ramona Giese von Drees & Sommer.

Viele Grünflächen, unterschiedliche Wohnungsbaukonzepte: So könnte das neue Wohnquartier Wasserkamp aussehen. (© MLA+) 

Die Experten haben zunächst in den Workshops ihre Ergebnisse präsentiert und sind anschließend mit den Anwohnern und Interessierten ins Gespräch gekommen. „Hier werden die Bürgerinnen und Bürger gehört und können sich einbringen - so ist eine aktive Teilhabe möglich, die wirklichen Einfluss in die Gestaltung des Wohnquartiers haben wird“, ergänzt Susann Liepe, die als Verantwortliche von LOKATION:S die analoge und digitale Bürgerbefragung im Sommer 2022 durchgeführt hat.

Auch Geschäftsführer und Architekt Maximilian Müller von MLA+, der mit seinem Team drei städtebauliche Varianten entwickelt hat, freut sich über die rege Bürgerbeteiligung: „Auch wenn wir uns darum bemühen, ist es schwer, alle Wünsche und Belange gleichwertig zu berücksichtigen. Wir haben aber mit drei städtebaulichen Varianten gute Vorschläge dargelegt, die die Bedürfnisse der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner widerspiegeln: Ob Nahversorgungsangebote, viele Grünflächen, aber auch unterschiedliche Wohnungsbaukonzepte für Singles, Familien oder Senioren – hier wird nicht über den Kopf und die Bedarfe der Bürger hinweg geplant.“

Wasserkamp: Stadtnah in der Natur wohnen

Die Bürger in die Planungen mit einzubeziehen ist auch das Ziel der Stadt Hildesheim, die dringend neue Baugebiete erschließen muss. In den vergangenen sechs Jahren hat die Stadt mit deutlich mehr als 3.000 zusätzlichen Einwohnern ein bemerkenswertes Bevölkerungswachstum erfahren. Gleichzeitig konnte der Wunsch nach Grundstücken für den Traum vom Eigenheim für viele ansiedlungswillige Privathaushalte nicht erfüllt werden, da aufgrund der knappen Bauflächen Grundstücke nicht in ausreichender Menge und Qualität bereitgestellt werden konnten. Aber auch in anderen Bereichen des Wohnungsmarktes, zum Beispiel bei seniorengerechten Wohnungen oder dem Sozialwohnungsbau, bestehen Engpässe. 600 bis 700 Wohneinheiten unterschiedlicher Typologien, vom Geschosswohnungsbau bis zu Einfamilienhäuser, sollen daher am Wasserkamp auf 46 Hektar Fläche ab 2025 entstehen.

Nachhaltige Schwammstadt mit Biotopen

Die Experten von Drees & Sommer haben den Wasserkamp ganz im Zeichen des Wassers geplant -  als eine Schwammstadt. Bei einer Schwammstadt werden große Retentionsflächen angelegt, die dafür sorgen, dass Regenwasser über die begrünten Flächen versickert, rückgehalten wird oder verdunstet: Wie ein Schwamm speichern die Flächen das Wasser. Das sorgt für ein attraktives Klima und gleichzeitig im Sommer für Abkühlung.

Durch diese Maßnahmen sollte der Wasserkamp vor Trockenperioden oder Starkregenereignissen gut geschützt werden. In Kombination mit Dachbegrünungen und der Anlage von Biotopen, die über das gesamte Gelände verteilt sind, wird die Grundlage für naturnahe Lebensräume geschaffen. Große Blumenwiesen und artenreiche Grünflächen locken nicht nur Wildbienen und Insekten an, sondern sorgen auch für eine ökologische Vernetzung mit dem bereits bestehenden angrenzenden FFH-Gebiet. Maßnahmen wie das gemeinsame Gärtnern auf den Urban-Gardening-Flächen fördern den sozialen Zusammenhalt unter den Quartiersbewohnern und sichern gleichzeitig eine große Artenvielfalt auf dem Wasserkamp.

Grüne Energie in der Stadt der kurzen Wege

Im Sinne eines autoarmen Quartiers planen die Mobilitätsexperten mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer ein, außerdem soll die direkte Radanbindung an die Innenstadt verbessert werden. Ziel ist eine Stadt der kurzen Wege: Ob mit dem Fahrrad oder zu Fuß, ob zur Kita oder zur Wohnung - im geplanten Konzept sind alle Orte des täglichen Lebens schnell und umweltfreundlich zu erreichen. Car-Sharing-Angebote und auch Lastenräder sollen die Bereitschaft erhöhen, auf das eigene Auto zu verzichten.

Mit Quartiersgaragen werden zudem Mobilitätsdrehscheiben geschaffen: Indem die Stellplätze der Bewohner in großen Garagen gebündelt werden, wird Platz im öffentlichen Raum eingespart. In die Mobility Hubs können Elektroladesäulen integriert werden. Die geplante Anbindung an den ÖPNV mit voraussichtlich eigenen Haltestellen im Quartier sowie ein Radwegenetz sind weitere Schritte, die Hildesheim städtebaulich auf einen neuen Weg bringen.

Des Weiteren soll mit Photovoltaikanlagen und Erdwärme insgesamt mehr Energie erzeugt als verbraucht werden - das geplante Energiekonzept macht die Bewohner des Quartiers unabhängig von steigenden Energiekosten und ermöglicht eine ausgeglichene CO₂-Bilanz.

In welche Richtung sich das Baugebiet letztlich entwickelt und welche Pläne umgesetzt werden, darüber berät der Ausschuss für Stadtentwicklung in einer gemeinsamen Sitzung mit den Ortsräten Itzum und Marienburger Höhe am 15. März 2023. Das beschlossene städtebauliche Konzept wird voraussichtlich im Herbst 2023 fertiggestellt - dann beginnt die planerische Umsetzung des Quartiers.

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