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Tageslicht lässt Asphaltstraßen unerwartet altern

(4.8.2022) Eine Überraschung in der Straßenbau-Forschung: Entgegen bisheriger Annahmen trägt sichtbares Licht deutlich zur Alterung von Bitumen bei, was letztlich den Asphalt zerstören kann.

Das Forschungsteam: Bernhard Hofko, Johannes Mirwald, Kristina Hofer (von links) Foto © TU Wien 

Die Haltbarkeit von Asphalt hängt ganz entscheidend vom Bitumen ab - dem schwarzen Bindemittel, das die Steinchen im Asphalt zusammenhält. Wenn das Bitumen in der Straße altert, kann es seine Eigenschaften verändern und spröde werden, wodurch letztendlich der Asphalt Risse bildet. An der TU Wien forscht man im 2020 eingerichteten „Christian-Doppler-Labor für Chemo-Mechanische Analyse von bituminösen Materialien“ daran, diese Prozesse besser zu verstehen und Asphalt langlebiger zu machen.

Laut eigenen Angaben stieß Johannes Mirwald durch Zufall auf einen überraschenden Effekt: Anders als bisher gedacht kann sichtbares Licht im blauen und grünen Bereich Bitumen verstärkt altern lassen - und zwar innerhalb kürzester Zeit. Diese lichtbedingte Veränderung im Bitumen wird an der TU Wien weiter untersucht. Soviel scheint aber schon sicher zu sein: Bei künftigen Forschungen und Lebensdauer-Abschät­zun­gen sollte die Sonneneinstrahlung stärker mitberücksichtigt werden.

Zufallsentdeckung im Labor

„Das Forschungsprojekt begann mit einigen merkwürdigen Beobachtungen, die sich zunächst niemand erklären konnte“, erzählt Prof. Bernhard Hofko vom Institut für Verkehrswissenschaften der TU Wien. „Bei uns im Labor lagen Bitumen-Proben in Glasbehältern herum – und bei näheren Untersuchungen stellen wir fest, dass sich ihre Oberfläche nach sehr kurzer Zeit verändert hatte.“

Solche Veränderungen hätte man vielleicht bei hohen Temperaturen erwartet – nicht aber bei Zimmertemperatur im Labor. Auch intensive UV-Strahlung käme als Erklärung für solche Veränderungen in Betracht, doch das Glas sollte eigentlich einen Großteil der UV-Strahlung absorbieren und nur den sichtbaren Anteil des Sonnenlichts durchlassen. „Wir beschlossen also, uns diese merkwürdige Sache mit Spezialmikroskopen näher anzusehen“, sagt Bernhard Hofko.

Bitumen-Proben wurden ganz gezielt beleuchtet, mit unterschiedlichen genau definierten Lichtfarben - vom langwelligen Rot bis in den kurzwelligeren UV-Bereich. „Bisher nahm man an, dass das hochenergetische UV-Licht den stärksten Einfluss auf die Alterung von Bitumen hat. Von sichtbarem Licht erwartete man keinen nennenswerten Effekt“, erklärt Johannes Mirwald. Doch die Messungen zeigten deutlich: Bei allen untersuchten Lichtwellenlängen waren bereits nach 15-20 Minuten Veränderungen der Bitumen-Oberfläche nachzuweisen. Der stärkste Effekt tritt zwar tatsächlich im UV-Bereich auf, doch die Auswirkungen von sichtbarem Licht sind ähnlich drastisch - mit einem zusätzlichen Maximum im Wellenlängenbereich von blauem und grünem Licht. Berücksichtigt man nun die Lichtbedingung auf der Erdoberfläche und den Einfluss der Atmosphäre, wodurch UV Licht deutlich stärker abgeschwächt wird als blaues oder grünes Licht, zeigt sich, dass blaues Licht die meiste Alterung auf den Straßenoberflächen verursacht.

Oxidation führt zu Rissen

Das Licht beschleunigt die Oxidation des Materials - und wenn Bitumen oxidiert, verändern sich seine mechanischen Eigenschaften. Es wird steifer und damit auch rissanfälliger. „Die Oxidation unter Einwirkung von Licht findet zunächst nur in den obersten Schichten des Materials statt - in den äußersten Mikrometern der Bitumen-Probe“, sagt Johannes Mirwald. „Doch das ist bloß die Initialzündung für einen weitreichenden Effekt: Kleine Risse sorgen dafür, dass Sauerstoff tiefer in das Material eindringen kann, im Inneren des Materials entstehen Spannungen, die Risse werden tiefer und schließlich kann das zu einer nachhaltigen Schädigung des Asphalts führen.“

Bisher wurden Alterungsexperimente mit Bitumen hauptsächlich im Dunkeln durch­ge­führt - das wird sich nun ändern. „Unsere Messungen zeigen: Wenn man die Haltbarkeit von Asphalt vorhersagen möchte, dann muss man jedenfalls auch die Sonneneinstrahlung berücksichtigen“, sagt Bernhard Hofko. Wo die Sonneneinstrahlung besonders hoch ist, hat man es außerdem meist auch mit hohen Temperaturen zu tun, das verstärkt den Effekt zusätzlich.

„Es ist ein absolut verblüffendes Ergebnis, mit dem niemand gerechnet hatte  so etwas passiert in der Forschung nicht oft“, resümiert Bernhard Hofko. Für die Wissenschaft vom Straßenbau wird diese neue Erkenntnis jedenfalls wichtige Änderungen mit sich bringen.

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