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VDMA: Handlungsbedarf beim schulischen Raumklima


Bild © CDC
  

(28.10.2020) Ein gesundes Innenraumklima ist eine grundlegende Voraussetzung für anhaltende Leistungsfähigkeit und motiviertes Lernen. Daher ist es notwendig, ...

  • die CO₂-Konzentration in Innenräumen durch Frischluftzufuhr kontinuierlich zu senken,
  • Geruchsstoffe abzuführen und
  • gleichzeitig Zugerscheinungen auszuschließen.

Doch viele deutsche Schulen können in ihren Klassenräumen kein Innenraumklima vorweisen, das den Anforderungen an physiologische Behaglichkeit und aktuelle Energieeffizienz entspricht. Diese Tatsache birgt in Zeiten von COVID-19 besondere Brisanz und führt zu dringendem Handlungsbedarf.

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) zeigte in einer Studie, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die Umgebungsbedingungen in Klassenzimmern zwar grundsätzlich verbessert haben, in der Praxis jedoch nur selten optimal betriebene Räumlichkeiten in Schulbauten vorzufinden sind. Eine Tatsache, die bis heute in Deutschland und vielen Nachbarländern besteht, wie auch eine aktuelle Studie der Freien Universität Bozen bestätigt - siehe auch Beitrag zur Bozen-Studie vom 6.11.2020.

Laut VDMA sind in Deutschland momentan in lediglich 10% der annähernd 48.000 Schulen raumlufttechnische Anlagen verbaut. Vielen kommunalen Schulträgern fehlen die finanziellen Mittel für eine energieeffiziente Lüftungsanlage und damit zur Sicherung einer ausreichenden Innenraumluftqualität. Der bundesweite Investitionsrückstand der Schulen ist immens. Laut dem KfW-Kommunalpanel des Deutschen Instituts für Urbanistik (DIfU) von September 2019 liegt er bei rund 42,8 Mrd. Euro.

Eine Anpassung der vorherrschenden Bedingungen ist jedoch gerade jetzt dringend erforderlich, um eine mögliche Ansteckungsgefahr mit dem Virus SARS-CoV-2 zu minimieren: „Zur Vermeidung der Übertragung durch Aerosole sind in geschlossenen und dicht besetzten Räumen Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen und Masken allein nicht ausreichend“, verweist Dr. Thomas Schräder, Geschäftsführer des VDMA-Fachver­bands „Allgemeine Lufttechnik“, auf Untersuchungen des Hermann-Rietschel-Instituts. „Ohne effektiven Luftaustausch besteht grundsätzlich die Gefahr einer kritischen Ausbreitung von virenbehafteten Aerosolen im Raum. Die Empfehlung der mehrmaligen Stoß- beziehungsweise Querlüftung durch vollständig geöffnete Fenster, kann hierbei nur eine kurzfristige Maßnahme darstellen, zumal die Effektivität des Luftaustausches stark von äußeren Witterungsbedingungen abhängt.“ Eine dauerhafte Lösung sieht Dr. Schräder im Betrieb moderner Lüftungs- und Klimaanlagen, die das definierte Einbringen von frischer Außenluft und das Abführen belasteter Raumluft gewährleisten.


  

In diesem Zusammenhang bietet die Informationsschrift „Betrieb und Nutzung von lüftungstechnischen Anlagen in Zeiten von COVID-19“ des Arbeitskreises Luftfilter im VDMA einen Überblick über die wichtigsten Aspekte zur Risiko-Minimierung der Ausbreitung von COVID-19 durch richtige Nutzung lüftungstechnischer Anlagen - siehe PDF-Download.

Welches Risikopotential Standard-Klassenzimmer in sich bergen, und welchen Stellenwert eine mechanische Lüftung hat, haben Wissenschaftler der RWTH Aachen anhand einer vereinfachten Modellrechnung und dem Vergleich mit einer Wohnung aufgezeigt. Hierbei ergeben analoge Luftwechselraten in Klassenzimmer und Wohnung,

  • für einen mit 35 Personen vollbesetzten Klassenraum - verglichen mit der Wohnung - ein zwölfmal höheres Infektionsrisiko und
  • bei einer Klassenbelegung mit 18 Personen und einem dreifachen Luftwechsel pro Stunde ein gleich hohes relatives Infektionsrisiko.

Die Analyse zeigt, dass in Klassenräumen, in Anbetracht der hohen Belegungsdichten und Aufenthaltsdauern, hohe Luftwechselraten unumgänglich sind, um ein niedriges Infektionsrisiko zu gewährleisten. Kurzfristig sollte in der Praxis zumindest eine CO₂-Ampel als Indikator für die personenbezogene Außenluftmenge verwendet werden. Bei allen neuen Schulen und bei Sanierungsmaßnahmen ist der Einbau einer ausreichend bemessenen Lüftungstechnik dringend anzuraten.

Handlungsdruck

Raumlufttechnische Geräte und Anlagen gibt es in den Varianten zentral und dezentral. Während sich zentrale Anlagen insbesondere für Neubauten eignen, bieten dezentrale Anlagen eher die Möglichkeit der Nachrüstung bei Bestandsbauten, werden darüber hinaus aber gleichfalls in Neubauten eingesetzt.

Ein positiver Aspekt, den beide Anlagentypen gemeinsam haben, ist die Verwendung von Außenluft. Diese wird gefiltert und kontrolliert in die Räume eingebracht und gleichzeitig Abluft aus dem Gebäude geführt. Anders als bei der temporären Fensterlüftung wird somit ein permanenter Luftaustausch erreicht. Alle Komponenten und Systeme unterliegen technischen Anforderungen, die in Normen und Regelwerken wie beispielsweise VDMA 24390 „Dezentrale Lüftungsgeräte – Güte- und Prüfrichtlinie“, festgelegt sind.

Der Sanierungsbedarf vieler deutscher Schulen ist seit langem bekannt. Die derzeitige Pandemie führt die bestehenden Missstände jedoch nochmals klar vor Augen und erfordert aktives Handeln. Eine große Herausforderung, denn die erforderlichen Maßnahmen sind umfangreich und werden Jahre in Anspruch nehmen.

Ad-hoc: Umluftreinigungsgeräte

Als Option, kurzfristig Aerosole aus der Luft herauszufiltern, bieten sich  Umluftreinigungsgeräte an - entweder ...

  • mit HEPA-Schwebstofffilter oder
  • basierend auf UV-Strahlung.

Diese erzeugen eine eher lokal wirkende turbulente Mischlüftung, wobei Anforderungen an Schallschutz, Behaglichkeit und Lüftungseffektivität zu berücksichtigen sind. Allgemeingültige Definitionen und Hinweise zu geeigneter Positionierung oder Installation fehlen allerdings aktuell und sollten daher durch kompetenten Unternehmen am Markt schnellstmöglich entwickelt werden.

„Ad-hoc Lösungsansätze dieser Art dürfen nicht über den tatsächlichen Sanierungsbedarf an Sanitär- und Lüftungstechnik in deutschen Schulen hinwegtäuschen“, mahnt Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Hans-Martin Seipp, Technische Hochschule Mittelhessen.. „Denn langfristig gibt es zu raumlufttechnischen Anlagen keine Alternative, will man effektiv und kontrolliert die Be- und Entlüftung dicht besetzter Räume gewährleisten, um jahreszeiten- und witterungsunabhängig eine angemessene Innenraum-Luftqualität zu erhalten“.

„Es bedarf einer Kombination aus Akutmaßnahmen und ernsthafter Langzeitlösungen“, ergänzt Dr. Thomas Schräder, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands „Allgemeine Lufttechnik“: „Hierfür wird eine Kraftanstrengung des Bundes und der Länder erforderlich sein - um die finanzschwachen Kommunen massiv zu unterstützen und diese sehr aktuelle Fragestellung nicht auf Jahre in die Zukunft zu verschieben“. An einer zeitnah zu entwickelnden Sanierungsstrategie müssten Bund, Länder, kommunale Schulträger, Hygieneexperten und Industrie gemeinsam arbeiten.

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