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Selbstvorspannende Betonelemente dank spezieller Empa-Rezeptur und CFK-Bewehrung

(14.10.2020) Mit einer neuartigen Betonrezeptur ist es an der Eidgenössischen Ma­te­rialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) gelungen, selbstvorspannende Betonelemente herzustellen. Dadurch sollten sich schlanke Konstruktionen deutlich kostengünstiger bauen lassen - und dabei gleichzeitig Material eingespart werden.

Ein Träger aus selbstvorgespanntem Beton mit carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) als Armierung. (Foto © Empa) 

Zur Erinnerung: Weltweit werden jährlich über zehn Mrd. Tonnen Beton hergestellt und verbaut - mehr als alle anderen Baumaterialien zusammen. Zum Vergleich: Bei Stahl und Asphalt liegt die jährliche Produktion bei je rund 1,5 Mrd. Tonnen. Auch wenn die verursachten Emissionen und die benötigte Energie bei der Herstellung einer Tonne Beton geringer sind als bei anderen Baumaterialen, haben die riesigen Mengen einen erheblichen Einfluss auf die globale Umweltbelastung. Hauptverantwortlich ist dabei das Bindemittel Zement. Für die vier Mrd. Tonnen Zement, die jährlich benötigt werden, werden wiederum knapp 3% der weltweiten Primärenergie aufgewendet.

Außerdem ist die Zementproduktion für bis zu 8% der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Schätzungen zufolge könnte die jährliche Produktion von Beton und Zement aufgrund der wachsenden Nachfrage in Entwicklungsländern bis 2050 sogar noch um weitere 50% ansteigen. Ein Ersatz für Beton ist dabei nicht absehbar: Dazu bietet der Baustoff einfach zu viele Vorteile. Die Zahlen machen deutlich, dass ein nachhaltiger Umgang mit Beton – von der Produktion über den sparsamen Materialeinsatz bis zum Abbruch und Recycling – einen enormen Einfluss auf unsere Umwelt und unsere Gesellschaft hat.

Patente in Europa und den USA

An der Empa werden Methoden entwickelt, wie Beton-Elemente schlanker, aber dennoch langlebig und stabil gemacht werden können, so dass der Materialverbrauch sinkt. Eine Forschergruppe rund um Giovanni Terrasi, Pietro Lura und Mateusz Wyrzykowski hat kürzlich ein europäisches und ein US-amerikanisches Patent erhalten für eine selbstvorspannende Betontechnologie, die dies ermöglicht.

alt: Spannbeton aus der Spannbettvorrichtung

Vorspannung kommt in der Regel dann zum Einsatz, wenn ein Betonelement sehr große Momente aufnehmen muss - zum Beispiel bei Balken, Brücken oder auskragenden Bauteilen. In einer Spannbettvorrichtung werden die Bewehrungen beziehungsweise Spannglieder - meist aus Stahl - vor dem Einbringen des Betons auf beiden Seiten des Elements verankert, unter Zug gesetzt und nach dem Aushärten des Betons wieder gelöst. Die in den Spanngliedern erzeugten Kräfte setzen den Beton dann unter Druckspannung: Das Element wird durch die vorgespannte Bewehrung in seinem Innern quasi von beiden Seiten zusammengezogen - und damit deutlich stabiler. Das Problem: Stahl ist korrosionsanfällig. Aus diesem Grund muss die Betonschicht rund um den Spannstahl eine bestimmte Mindestdicke aufweisen.

Carbonfasern statt Stahl

Bereits in den 1990er-Jahren wurde zum ersten Mal carbonfaserverstärkter Kunststoff (CFK) anstelle von Stahlarmierungen verwendet. Weil CFK nicht korrodiert, lassen sich dadurch bereits deutlich schlankere Betonbauteile produzieren – mit gleichwertigen statischen Eigenschaften. „Will man diese CFK-Armierungen ebenfalls vorspannen, um damit noch dünner und stabiler bauen zu können, stößt man aber an Grenzen“, erklärt Herr Wyrzykowski. Es sind sehr teure Spannbettvorrichtungen nötig und die Verankerung von CFK-Stäben ist deutlich komplexer als diejenige von Spannstahl. Deshalb ist vorgespannter CFK-Hochleistungsbeton noch immer nicht sehr weit verbreitet.

Expandierender Beton in eigener Sache

Dem Empa-Team ist es nun offenbar gelungen, auf die Verankerung auf beiden Seiten des Elements komplett zu verzichten, der Beton macht die Arbeit nämlich selbst: Dank einer speziellen Rezeptur dehnt sich der Beton beim Aushärten aus. Durch diese Expansion setzt der Beton die CFK-Stäbe in seinem Innern unter Zug und spannt sie dadurch automatisch vor.

In ihren Laborversuchen konnten die Forscher nachweisen, dass die selbstvorgespannten CFK-Betonelemente vergleichbare Lasten tragen konnten wie jene, die mit großem Aufwand konventionell vorgespannt wurden - und zwar rund dreimal mehr als ein nicht vorgespanntes CFK-Betonelement.

Auch Vorspannung in mehrere Richtungen möglich

„Unsere Technologie eröffnet völlig neue Möglichkeiten im Leichtbau“, erwartet Herr Wyrzykowski. „Wir können nicht nur stabiler bauen, sondern brauchen dafür auch erheblich weniger Material.“ Der Empa-Forscher sieht auch bereits neue Anwendungsfelder: „Wir können sehr einfach gleichzeitig in mehrere Richtungen vorspannen, etwa für dünne Betondecken oder filigrane gekrümmte Betonschalen“, resümiert der Forscher mit Blick in die Zukunft. Diese neuen Anwendungen werden nun mit Unterstützung des Industriepartners BASF weiterentwickelt.

Weitere Informationen zu selbstvorspannenden Betonelementen können per E-Mail an Dr. Mateusz Wyrzykowski angefordert werden.

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