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Callweys 50 Häuser des Jahres 2019 ... und ein Plädoyer für Einfamilienhäuser


  

(9.10.2019) „Die idealste, weil natürlichste Wohnform ist das Einfamilienhaus im Flachbau ... Nie wird die Wohnung im mehrgeschossigen Mietshause der Familie und vor allem dem Kinde die gesunden Lebensbedingungen ersetzen können, die das Einfamilienhaus bietet ...“ Diese Meinung vertrat der Frankfurter Baudezernent Ernst May im Jahr 1930.

Der Begriff der Familie hat sich im Laufe der Zeit stark verändert, und die Ansprüche an gesunde Lebensbedingungen sind heute andere als da­mals - trotzdem ist und bleibt das Einfamilienhaus der beliebteste Gebäudetypus - vielen Experten zum Trotz, die ein Haus mit Garten als ein überkommenes Modell, einen Flächenfresser, Landschaftszerstörer und Ressourcenverschwender kommunizieren, der eigentlich verboten gehört. Zumal es zur drängenden Frage, wie im großen Stil Wohnraum geschaffen werden kann, nicht wirklich etwas beizutragen scheint.

Junger Gebäudetypus

Tatsächlich ist der Siegeszug des Einfamilienhauses vergleichsweise jung: Er setzte erst mit der industriellen Revolution ein, versprach im deutschen Kaiserreich Flucht vor der hohen baulichen Dichte und der Umweltbelastung der Kernstädte und versorgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch breitere Bevölkerungsschichten mit naturnahem Wohnraum im Umland - Straßen bzw. Eisenbahn sei Dank. Die Nationalsozialisten förderten das Einfamilienhaus schließlich, weil Wohngebiete mit geringer Dichte im Luftkrieg kein gutes Ziel abgaben.

In der Nachkriegs-BRD wird das Einfamilienhaus dann zum manifestierten Wirtschaftswunder, das das individualisierte, liberale Gesellschaftsbild in Stein meißelt bzw. in Beton gießt. Heute ist das Einfamilienhaus die dominierende Wohnform: In Deutschland leben 53% der Bevölkerung in Ein- oder Zweifamilienhäusern, die 83% aller Wohnhäuser ausmachen. Von den annähernd 19 Mio. Wohngebäuden in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt (Destatis) ...

  • 12,5 Mio. Einfamilienhäuser und
  • gut 3 Mio. Zweifamilienhäuser (Stand 2016).

Es ist also sinnvoll, sich 2019 mit dem Einfamilienhaus zu beschäftigen. Und dabei vor allem auf die Qualität zu schauen! Zwar tut die schwarz-rote Bundesregierung einiges dafür, den Zuspruch für diese Wohnform zu zementieren - Stichwort Baukindergeld. Doch leider hat sie offensichtlich nie daran gedacht, den Zuschuss ausschließlich zu gewähren, wenn das Haus vom Architekten geplant wird.

Bitte , um dieses Video anzusehen.
Das „Haus am Buddenturm“ in Münster und sein Architekturbüro hehnpohl architektur bda hat beim diesjährigen „Häuser des Jahres Award“ den 1. Preis gewonnen. n-tv war im Vorfeld in dem Haus aus Beton und Holz zu Gast.

Die 50 besten Einfamilienhäuser im deutschsprachigen Raum

Für dem Wettbewerb „Häuser des Jahres“ wurden 50 Einfamilienhäuser im deutschsprachigen Raum auswählt  - in diesem Jahr bereits zum neunten Mal. Bei der Kommunikation mit den 50 Architekten, die mit ihren Büros die Häuser geplant und gebaut haben, habe Katharina Matzig erstmals auch danach gefragt, was der Reiz und das Problem beim Bau eines Einfamilienhauses ist. Stellvertretend für die vielen klugen, ehrlichen, nachdenklichen, begeisterten Antworten, von denen einige im Buch zum Wettbewerb abgedruckt sind, sagt der Münchner Architekt Thomas Unterlandstättner: „Reizvoll ist das Individuelle, das Maßgeschneiderte. Problematisch ist das Individuelle, das Maßgeschneiderte. Beides ist - wenn es bis zum Ende durchgehalten wird - unbeschreiblich zeitaufwendig, nervenaufreibend und über weite Strecken nicht angemessen entlohnt. Aber es ist auch schön, wenn die Bauherren, nachdem die anfänglichen Kinderkrankheiten beseitigt und die nachgezogenen Fertigstellungen in Vergessenheit geraten sind, zufrieden und glücklich sind in ihrem Haus und man als Architekt nach Jahren vorbeikommt und feststellt: Es funktioniert!“

Viele konkrete Detail-Informationen

Damit alle ausgewählten Häuser auch für die Leser schön und reizvoll zum Anschauen sind, wurde das Buch „Häuser des Jahres 2019“ wieder vom Büro Rose Pistola aus München aufbereitet. Wie gewohnt werden Häuser aus allen Teilen Deutschlands auf vier bis acht Seiten vorgestellt, ebenso wie Projekte aus der Schweiz, aus Südtirol und aus Österreich.

Die 50 Häuser werden in dem Buch anhand professioneller Innen- und Außenraumfotos präsentiert. Lagepläne im Maßstab 1:2000 machen die städtebauliche Einbindung der Gebäude deutlich, Grundrisse und Schnitte - in der Regel im Maßstab 1:400 - wurden von den Architekturbüros zur Verfügung gestellt ebenso wie Angaben über Grundstücksgröße, Wohnflächen, Bauweise, Energiestandard, Baujahr und bisweilen auch die Baukosten.


Das „Haus am Buddenturm“ wurde übrigens auch mit einem Sonderpreis beim Deutschen Ziegelpreis 2019 ausgezeichnet. (Foto © HehnPohl Architektur)
  

Die Architekten haben zudem angegeben, mit welchen Herstellern und Firmen sie zusammengearbeitet haben. Die meisten Architekten haben überdies bereitwillig und ausführlich geschildert, wie sie an den Auftrag gekommen sind, welche Herausforderungen der Entwurf und die Realisierung an sie stellte und welche Reaktionen das Haus in der Nachbarschaft provozierte. Die Frage, wie das Verhältnis zwischen Architekt und Bauherr nach Fertigstellung des gemeinsamen Projekts ist, erübrigt sich wie üblich: Keines der Gebäude wäre in diesem Buch, wenn sich Bauherren und Architekten nicht mehr verstünden, die Zustimmung der Nutzer ist selbstverständliche Bedingung für die Teilnahme am Wettbewerb. Daher gilt auch in diesem Jahr: Kompliment und ein herzlicher Dank allen Architektinnen und Architekten und ihren Bauherrinnen und Bauherren.! Es lohnt sich. Trotz allem und gerade deswegen.

Die bibliographischen Angaben zum Buch:

  • Häuser des Jahres
    Die besten Einfamilienhäuser 2019
  • von  Katharina Matzig und Jan Weiler
  • 30. September 2019, 328 Seiten
  • 23 x 29,7 cm, gebunden mit Schutzumschlag
  • ISBN 978-3-7667-2425-0
  • erhältlich u.a. bei Weltbild und Amazon

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