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Thermoelektrika: Rekordmaterial Zinnselenid wandelt bis zu 20% Wärme in elektrischen Strom

(5.5.2019) Zinnselenid hat das Potential, bei den Thermoelektrika die bisherigen Rekordhalter aus Wismuttellurid an Effizienz deutlich zu übertreffen. Allerdings ist der thermoelektrische Effekt in Zinnselenid erst einmal nur bei Temperaturen oberhalb von 500°C so enorm. Aktuelle Messungen an den Synchrotronquellen BESSY II und PETRA IV lassen aber den Schluss zu, dass sich Zinnselenid auch bei Raumtemperatur als Thermoelektrikum nutzen lässt - sofern man hohen Druck anlegt.

Bereits vor sechs Jahren entdeckte ein Forschungsteam aus den USA, dass Zinnselenid oberhalb von 500°C etwa 20% der anfallenden Wärme in elektrische Energie umwandeln kann. Dieser Wert ist bemerkenswert und übersteigt den Wert von Wismuttellurid deutlich. Außerdem sind Zinn und Selen ausreichend verfügbar.

Verantwortlich für den enormen thermoelektrischen Effekt ist ein struktureller Phasenübergang: Zinnselenid ist aus Schichten aufgebaut, ähnlich wie ein Blätterteig. Oberhalb von 500°C beginnen sich die Schichten gegeneinander neu anzuordnen: Dabei nimmt die Wärmeleitung in einer Richtung ab, während die Ladungsträger beweglich bleiben. In dieser Richtung wird der thermoelektrische Effekt in Zinnselenid bisher von keinem anderen Material übertroffen.

Nun hat ein internationales Team um Dr. Ulrich Schade am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie mit Hilfe von Infrarotspektroskopie an BESSY II und mit harter Röntgenstrahlung an PETRA IV Proben aus Zinnselenid durchleuchtet. Die Messungen zeigen, dass die gewünschte Kristallstruktur auf zweierlei Weise erzeugt werden kann:

  • entweder durch hohe Temperaturen bei Normaldruck
  • oder durch hohen Druck (oberhalb von 10 GPa) bei Raumtemperatur.

Außerdem verändern sich in der Hochtemperatur-Struktur die elektronischen Eigenschaften der Probe von halbleitend zu halbmetallisch. Dies passt zu den Bandstrukturberechnungen.

Zinnselenid besitzt eine schichtartige orthorhombische Kristallstruktur (links). Oberhalb von 500 Grad Celsius (rechts) ändert sich die Anordnung der Schichten. Copyright: HZB 

„Wir können mit unseren Ergebnissen über einen weiten Temperatur- und Druckbereich erklären, warum Zinnselenid so ein herausragendes Thermoelektrikum ist“, bestätigt Ulrich Schade. Bis aber Thermoelektrika auf Basis von Zinnselenid auf den Markt kommen, sind weitere Schritte nötig, zum Beispiel, um die Langzeitstabilität zu verbessern. Dann aber könnte Zinnselenid eine preisgünstige Alternative zu Wismuttellurid werden.

Originalpublikation:

  • Physical Chemistry Chemical Physics (2019)
  • „Effects of temperature and pressure on the optical and vibrational properties of thermoelectric SnSe.“ Ilias Efthimiopoulos, Matthias Berg, Annika Bande, Ljiljana Puskar, Eglof Ritter, Wei Xu, Augusto Marcelli, Michele Ortolani, Martin Harms, Jan Mueller, Sergio Speziale, Monika Koch-Mueller, Yong Liu, Li-Dong Zhao, and Ulrich Schade.
  • DOI: 10.1039/C9CP00897G

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