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Wie steht es um die Mittelstandseignung von ÖPP-Projekten?

(28.1.2019) Über Umfänge und Vertragslaufzeiten der seit 2013 ausgeschriebenen ÖPP-Projekte im Bereich der Straßeninfrastruktur informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (Bundestags-Drucksache 19/6522) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (Bundestags-Drucksache 19/6206) zur mittelstandsgerechten Ausgestaltung von ÖPP bei Infrastrukturprojekten.

Demnach sind mittelständische Bauunternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten nach Kenntnis der Bunderegierung nicht auf Konsortialebene an ÖPP-Projekten beteiligt. Gleichwohl geht aus der Antwort aber auch hervor, dass im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die Studie „Alternative Ge­schäfts- und Finanzierungsmodelle bei ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau“ erstellt worden sei. Die vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) in Auftrag gegebene Studie „ÖPP-Infrastrukturprojekte und Mittelstand“ sei dabei in die Überlegungen einbezogen worden. „Im Ergebnis wurden das Erhaltungsmodell und der erweiterte Funktionsbauvertrag als besonders mittelstandsgeeignete ÖPP-Modelle entwickelt“, schreibt die Regierung.

Baugewerbe fordert Verzicht auf wettbewerbsuntaugliche ÖPP-Infrastrukturprojekte

ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa erklärte nun mit Blick auf die Antwort der Bundesregierung: „Der Politik ist seit langem bekannt, dass der Mittelstand bei ÖPP im Bereich Infrastrukturmaßnahmen unzureichend am Wettbewerb beteiligt ist. Mit jedem weiteren neuen ÖPP-Infrastrukturprojekt werden Steuermittel dem Wettbewerb zu Lasten der mittelständischen Bauunternehmen, die rund 75% des gesamten Branchenumsatzes erwirtschaften, entzogen. Das muss sofort aufhören.“

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen hatte sich in ihrer Anfrage auch auf besagte Studie der TU Braunschweig „ÖPP-Infrastrukturprojekte und Mittelstand“ bezogen, welche im Auftrag des deutschen Baugewerbes erstellt wurde. Das Gutachten hatte verdeutlicht, dass allein schon ...

  • die Projektvolumina in Milliardenhöhe und
  • Laufzeiten von 30 Jahren

..... eine Beteiligung des Mittelstandes an den Ausschreibungen verhindern. Der Bundesrechnungshof hat in mehreren Gutachten daher auch die Wirtschaftlichkeit von ÖPP-Infrastrukturprojekten in Zweifel gezogen.

Bauindustrie: Innovations- und Leistungsfähigkeit der Branche dürfen nicht ausgebremst werden

Dieter Babiel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), reagierte umgehend auf die Kritik des Baugewerbes an bestehen ÖPP-Struk­tu­ren: „Wer heute einen Verzicht von ÖPP oder anderen Partnerschaftsmodellen fordert, verkennt die notwendigen Veränderungen am Bau, bei denen sich gerade die Mittelständler als hochinnovativ erweisen. Sie können ihre volle Leistungsfähigkeit aber nur ausspielen, wenn sie durch alternative Beschaffungsmodelle die Möglichkeit dazu bekommen und nicht ausschließlich in einem konventionellen Preiswettbewerb antreten müssen.“

Herr Babielt erklärte ergänzend: „Unsere mittelständischen, familiengeführten und größeren Unternehmen sind heute bereits viel weiter, als in der Öffentlichkeit bekannt. Elektrische und autonome Fahrzeuge, Drohnen, intelligente Infrastrukturen und innovative, bautechnische Lösungen sind schon heute Alltag am Bau.“, Diese Potentiale würden durch die öffentliche Hand allerdings noch zu wenig genutzt. Das sei verschenktes Potential. „Die Bauindustrie tritt deshalb für eine breite Vielfalt an Partnerschaftsmodellen ein, die neben der konventionellen Fach- und Teillosvergabe zur Anwendung kommen müssen. Hierzu gehört auch ÖPP“, betonte der HDB-Hauptge­schäfts­führer. Er könne sich zudem nicht erklären, weshalb Teile des Bauhandwerks angesichts einer fortschreitenden Digitalisierung, einer stärkeren Kopplung von Planung und Bau und den großen öffentlichen Investitionsbedarfen nach wie vor jedwede neue Formen der Zusammenarbeit ablehnten.

„ÖPP-Verbote stehen für die eigentliche Kritik an Großprojekten“

Bezogen auf ein Gutachten der TU Braunschweig im Auftrag des Baugewerbes stellte Herr Babiel ferner fest, dass seiner Meinung nach die Kritik an ÖPP im Kern eine Kritik an größeren bzw. Großprojekten sei. So zeige eine Unternehmensbefragung im Rahmen des Baugewerbe-Gutachtens, dass 95% der Unternehmen aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nicht in der Lage wären, Autobahnteilstücke länger als 10 km, größtenteils sogar nur von maximal 5 km im Rahmen einer ARGE zu realisieren. „Dies kann den kleineren Unternehmen in keiner Weise zur Last gelegt werden. Doch soll das Ingenieur-Land Deutschland auf größere Projekte verzichten, nur weil nicht alle Unternehmen, egal ob klein oder groß, diese in Eigenregie umsetzen können?“ fragt Herr Babiel (rhetorisch). So würden heute 98% aller öffentlichen Straßenbauaufträge konventionell vergeben. Zudem sei aufgrund der guten Baukonjunktur aktuell mehr als genug Arbeit für alle Bauunternehmen vorhanden.

„Der Bau und seine Unternehmen können sich nur weiterentwickeln, wenn Leistungs- und Innovationsfähigkeit nicht durch künstliche Begrenzungen zugunsten Einzelner ausgebremst werden. Dafür brauchen wir sowohl einen gesunden Mix an größeren und kleinen Projekten als auch eine Vielfalt an Beschaffungsmodellen“, resümierte Herr Babiel.

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