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Leichtbau-Sandwichplatten mit Popcorn-Kern ohne Formaldehydemissionen

(23.10.2018) Professor Alireza Kharazipour kam dem Vernehmen nach die Idee zu einer „Popcorn-Platte“ schon vor vielen Jahren. Im Rahmen eines Forschungsprojektes ist es ihm nun zusammen mit seinem Team an der Uni Göttingen gelungen, besonders leichte Sandwichplatten mit einem Kern aus expandierten Maiskörnern zu entwickeln. Holzwerkstoffhersteller sollen die Platten auf bestehenden Anlagen produzieren können.

Foto © Moira Burnett 

Die neuen Platten treffen den Nerv der Zeit, denn Leichtbaustrategien sind auch in der Holzwerkstoffindustrie ein wichtiges Thema. Sie helfen, knapper werdende Holz-Res­sourcen einzusparen sowie Transport- und Energiekosten zu senken. Außerdem passen sie zur mobilen Gesellschaft von heute, die häufiger umzieht und sich dafür leichte Möbel wünscht.

In dem Forschungsprojekt wendeten die Forscher zwei verschiedene Verfahren an:

  • Beim Einschritt-Verfahren wurden Popcorn für den Kern sowie Holzspäne und Holzfasern für die Deckschicht beleimt, dann jeweils gestreut und in einem Zug zu einer Platte verpresst.
  • Im Zweischritt-Verfahren stellten die Forscher zunächst die Popcornverbundplatte her und beplankten sie erst anschließend mit den Deckschichtmaterialien Sperrholz, Dünn-Faser- und Dünn-Spanplatte, Aluminium und Hochdrucklaminat. Zur Verleimung eignete sich eine 4- bis 8-prozentige Beimischung von harnstoffformaldehydbasierten Harzen oder von Methandiisocyanat am besten.

Eine Prüfung der fertigen Sandwichplatten bezüglich ihrer mechanischen Kennwerte zeigte, dass sie bei deutlich geringerem Gewicht ähnliche Eigenschaften wie herkömmliche Spanplatten aufweisen:

  • Im Einschritt-Verfahren hergestellte Platten erreichten bei nur halb so großer Rohdichte die gleichen Biegeeigenschaften wie die Referenz-Spanplatten.
  • Die im Zweischritt-Verfahren hergestellten und mit Sperrholz bzw. mit Aluminium beschichteten Platten waren sogar deutlich tragfähiger als die Referenz.

„Interessant ist die Fähigkeit des Popcorngranulats, Formaldehyd ab Temperaturen von 70°C zu binden. Dadurch wird das problematische Gas weder bei der Herstellung noch im Gebrauch freigesetzt“, erklärt Professor Kharazipour.

Entwicklungsbedarf sieht er noch bei der Ausrüstung gegen hohe Luftfeuchtigkeit und bei der industriellen Herstellung. „Generell ist der popcornbasierte Plattenwerkstoff sehr attraktiv für Unternehmen, da für die Herstellung keine Maschinen umfangreich umgerüstet oder neu angeschafft werden müssen. Die optimalen Verarbeitungsparameter gilt es aber noch herauszufinden“, so Kharazipour.

Als mögliches Einsatzgebiet für die Platten komme neben dem Möbelbau theoretisch auch der Dämmbereich in Frage, denn Popcorngranulat hätte eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit. Außerdem könnten die Platten für den Automobil-, Schiff- und Messebau interessant sein. Gefragt, ob der stoffliche Einsatz von Popcorn nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung stünde, antwortet Kharazipour: „Schon heute gehen beträchtliche Mengen der Körnermaisproduktion in die stoffliche Nutzung. Maisstärke wird insbesondere für Leime und biobasierte Kunststoffe verwendet. Außerdem nutzen wir auch geringwertige Maissortimente wie Bruchmais, die als Lebensmittel nicht in Frage kommen.“

Die Popcorn-Sandwichplatte ist eine Weiterentwicklung. Bereits zwischen 2007 und 2010 entstanden in einem Vorläuferprojekt der Universität Göttingen erste Verbundplatten aus Holzspänen und Maisgranulat. Diese vermarktet die Firma Pfleiderer heute unter dem Markennamen „BalanceBoard“, insbesondere an Küchenhersteller. Die neue Platte ist nun noch leichter als das BalanceBoard - siehe auch Beitrag „BalanceBoard: Leichte, feste Spanplatte aus Popcorn“ vom 20.5.2011.

Foto © Carolin Pertsch 

Dass man auch aus dem reinen Popcorngranulat Möbel herstellen kann, hat die Designstudentin Carolin Pertsch bereits gezeigt. Inspiriert durch das Projekt schuf sie im Rahmen ihrer Masterarbeit verschiedene Möbel, denen man schon äußerlich ansieht, dass sie aus dem Kino-Knabberzeug bestehen.

Das Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) gefördert. Der Abschlussbericht ist via fnr.de unter dem Förderkennzeichen 22014313 downloadbar (direkter PDF-Download).

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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