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BUND hat einen Abschaltplan für Kohlekraftwerke und Kernkraftwerke

Abschaltplan des BUND
  

(4.5.2018; zuletzt ergänzt am 6.5.2018) Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat heute (4. Mai) einen Abschaltplan für Kohlekraft- und Atomkraftwerke vorgelegt. Demzufolge sind das Stilllegen der klimaschädlichsten Kohlekraftwerke bis 2020 und eine deutliche Beschleunigung des Atomausstiegs in Deutschland möglich - und zwar ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. „Der Abschaltplan ist eine Aufforderung an die politisch Handelnden endlich tätig zu werden“, betonte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger bei der Vorstellung des Abschaltplans in Berlin.

Der BUND hat für seinen Abschaltplan eine konkrete Leistungsbilanz erstellt und benennt konkrete Kraftwerke sowie Jahreszahlen für die Abschaltung. Im Fokus stehen dabei die Jahre 2020 und 2023. Dieser Zeitraum gilt als besondere Herausforderung für die Versorgungssicherheit, da in ihn einerseits das gesetzliche Ausstiegsdatum der Atomkraft fällt. Andererseits muss gut die Hälfte der Kohlekraftwerke vom Netz, um das deutsche Klimaziel 2020 erreichen zu können.

Bei Umsetzung dieses Abschaltplans wird der Leistungsüberschuss in Deutschland zwar zurückgehen, die Versorgung sollte aber auch in Stunden ohne Sonne und mit wenig Wind gewährleistet bleiben: „Deutschland hat im ersten Quartal 2018 im Durchschnitt die Stromproduktion von fünf großen Kraftwerken exportiert. Allein vor diesen Hintergrund erstaunt es, dass die neue Bundesregierung sich nicht auf die kurzfristige Stilllegung der klimaschädlichsten Kohlekraftwerke verständigt hat“, sagte der BUND-Vorsitzende. „Wir wollen mit unserer Analyse zeigen, dass viel mehr möglich ist, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist.“

Der BUND-Abschaltplan legt dar, wie die Versorgungssicherheit gewahrt bleiben könne, wenn die Politik flankierend zu den Abschaltungen die Energiewende aktiv vorantreibe. Die Berechnungen der Leistungsbilanz basieren dabei hauptsächlich auf Werten etwa der Bundesnetzagentur oder der Übertragungsnetzbetreiber. Abweichungen und andere Annahmen werden begründet. „Wir wollen mit unserer Analyse einen wichtigen Anstoß zu einer transparenten Debatte im Rahmen der Atomgesetz-Novelle und der sich konstituierenden Kohle-Ausstiegs-Kommission liefern“, erklärte Weiger.

In seiner Abschaltliste für Kohlekraftwerke schlägt der BUND die Blöcke vor, die als erstes vom Netz müssten, um das Klimaziel 2020 erreichen zu können. Es geht um alle größeren Kohlekraftwerke, die vor 1990 ans Netz gegangen sind, um die Kohlekapazität am Strommarkt auf 20 Gigawatt zu reduzieren. Als eine neue Maßnahme zur Ermöglichung eines sozialverträglichen Kohleausstiegs und zur Absicherung der Versorgungssicherheit in Extremsituationen schlägt der Umweltverband die Einführung einer zusätzlichen Kohleausstiegsreserve in Höhe von sechs bis acht Gigawatt vor.

„Das Pariser Klimaabkommen erfordert den Ausstieg aus der Kohle noch vor 2030. Die Bunderegierung ist in der Verantwortung für das Erreichen der Klimaziele, sie muss den Ausstieg gesetzlich festschreiben und für einen gerechten Strukturwandel sorgen. Für das Erreichen des Klimaziels 2020 muss sie jetzt ein Sofortprogramm auf den Weg bringen. Weiteres Abwarten ist unverantwortlich“, konstatierte der BUND-Vor­sitzende. Durch die klimapolitische Untätigkeit der letzten Jahre habe sich das deutsche „Klimaproblem“ immer stärker zugespitzt. Nach den neueren Emissionsprognosen wird das deutsche Klimaschutzziel 2020 um zehn Prozentpunkte verfehlt.

Gleichzeitig zum Kohleausstieg könnten auch die Atomkraftwerke (AKW) schneller als gesetzlich vorgesehen vom Netz gehen: Die sieben AKW, die aktuell noch am Netz sind, bedeuten ein ständiges Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung und müssen so schnell wie möglich stillgelegt werden. Die Bundesregierung will die Novelle des Atomgesetzes bislang aber nicht zu einer echten Beschleunigung des Atomausstiegs nutzen. „Der BUND fordert den sofortigen Atomausstieg. Mindestens muss die aktuelle Überarbeitung des Atomgesetzes genutzt werden, um weitere Übertragungen von Strommengen gesetzlich zu verbieten“, sagte Weiger. Ohne diese Übertragung würden die AKW insgesamt zehn Jahre weniger laufen und die Produktion von 300 Tonnen hochradioaktivem Atommüll würde vermieden werden.

Raus aus Kohle sowie Atom und trotzdem die Energieversorgung sichern - dies sei möglich, wenn die Energiewende vorangetrieben werde: „Es geht darum, die Erneuerbaren Energien engagiert weiter auszubauen und die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine Energiewende, die im Wesentlichen auf Windenergie und Photovoltaik basiert, zu schaffen“, resümierte Weiger. Dies bedeute bzw. erforderte ...

  • einen Ausbau von flexiblen dezentralen KWK-Kraftwerken,
  • eine Reduktion des Stromverbrauchs,
  • eine optimierte Auslastung der Stromnetze und
  • eine deutliche Steigerung der Möglichkeiten zur Lastreduktion.

Ergänzung: Stefan Kapferer zum Abschaltplan des BUND

Für Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung, ist der BUND-Abschaltplan nicht nachvollziehbar. Der Trend zum Abbau gesicherter Erzeugungskapazitäten setze sich bereits unvermindert fort, wie die aktuelle BDEW-Kraftwerksliste zeige:

„Die heute noch bestehenden Überkapazitäten werden in wenigen Jahren nicht nur vollständig abgebaut sein. Vielmehr laufen wir sehenden Auges spätestens im Jahr 2023 in eine Unterdeckung bei der gesicherten Leistung. Wir können in Deutschland auch nicht einfach auf unsere EU-Nachbarn setzen: Auch im EU-Ausland wird gesicherte Leistung in Form von konventionellen Kraftwerken abgebaut. Und: Die Zeiten, in denen sehr viel Strom nachgefragt wird, sind in Mitteleuropa nahezu deckungsgleich: Ist die Stromnachfrage in Deutschland hoch, ist dies in der Regel auch in den angrenzenden Staaten der Fall. Wir können uns in solchen Phasen nicht darauf verlassen, aus diesen Ländern Strom in nennenswertem Umfang importieren zu können,“ so der Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung,

Stefan Kapferer: „Dem bis 2023 zu erwartenden Zubau an Kraftwerkskapazität in Höhe von etwa 4.400 Megawatt (MW) stehen bereits absehbare und schon erfolgte Stilllegungen mit einer Kapazität von rund 18.600 MW gegenüber - ein sattes Minus. Damit sinkt bis 2023 die konventionelle Kraftwerkskapazität von heute knapp 90.000 MW auf 75.300 MW.

Die Bundesnetzagentur geht in ihren Prognosen davon aus, dass die höchste Stromnachfrage in Deutschland (Jahreshöchstlast) zu Beginn der 2020er Jahre bei etwa 81.800 MW liegen wird. Dieser Wert wird nur noch dadurch erreicht, dass weitere bereits zur Stilllegung angezeigte Kraftwerke nicht vom Netz genommen werden dürfen, da sie als systemrelevant für die Versorgungssicherheit eingestuft werden (ca. 6.800 MW). Es ist davon auszugehen, dass weitere Kraftwerke wegen mangelnder Rentabilität zur Stilllegung angezeigt werden. Das konkrete Potenzial technologischer Entwicklungen wie neuen Speichertechnologien oder Demand Side Management ist zudem nicht sicher vorhersehbar.“

siehe auch für zusätzliche Informationen:

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