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TÜV und Sentinel Haus: „Gesunder Lebensraum Schule“ zur Raumluftqualität in Klassenzimmern

(29.3.2015) Das Modellprojekt „Gesunder Lebensraum Schule“ von TÜV Rheinland und Sentinel Haus Institut kommt zu dem Ergebnis, dass Deutschlands Schüler und Lehrer mit dem Risiko leben, beim Bau bzw. bei der Sanierung von Gebäuden kurz- oder auch langfristig durch schadstoffhaltige Baustoffe, schlechte Möbel und Fehler bei Reini­gung und Kleinreparaturen gesundheitlich geschädigt zu werden. Die gute Nachricht sei aber, dass ein überschaubares Qualitätsmanagement eine gesunde Raumluft für besseres Lernen gewährleisten könne und dass dies nahezu kostenneutral sei. Eine Fachkonferenz am 28. April in Köln will ausführlich über die Problematik und Lösungen informieren.

Auf sechs Milliarden Euro beziffert das Deutsche Institut für Urbanistik den Investitionsstau bei deutschen Bildungsgebäu­den. Im Zuge der (energetischen) Sanierung laufen Schulträ­ger und die beteiligten Planer jedoch Gefahr, neue Fehler zu begehen: Da Standards für die Innenraumhygiene, wie die Empfehlungen des Umweltbundesamtes (siehe „Leitfaden für Innenraumhygiene in Schulgebäuden des UBA“), nicht verbind­lich sind, können Klassenräume und ganze Schulen durch Alt­lasten in der Bausubstanz, aber auch durch Schadstoffe in neuen, bauaufsichtlich zugelassenen Bauprodukten stark be­lastet sein. Auch in Möbeln und Reinigungsmitteln können Schadstoffe stecken. Die Folge sind Kopfschmerzen, Unwohl­sein und schwerwiegendere Krankheiten wie Allergien. Häufig werden die Symptome erst gar nicht mit den Reparatur- oder Reinigungsarbeiten in Verbindung gebracht.

Gesundheit nicht dem Zufall überlassen

„Die Erfahrungen von TÜV Rheinland und dem Sentinel Haus Institut zeigen regelmäßig Auffälligkeiten hinsichtlich der gesundheitlichen, und hygienischen Qualität in neu er­richteten oder renovierten Bildungsräumen“, betonte Dr. Walter Dormagen, Geschäfts­feldleiter Gefahrstoffe, Mikrobiologie und Hygiene bei TÜV Rheinland. Die häufigsten Auslöser seien ...

  • Lösemittel,
  • Formaldehyd,
  • Weichmacher und auch
  • so genannte Topfkonservierer, die Allergien auslösen oder verstärken können.

Schlechte Noten für die Lüftung

Nicht nur lästig oder ermüdend sind dauerhaft unangenehme Gerüche oder ein hoher Gehalt an Kohlendioxid durch mangelhafte Lüftung. Aus Kostengründen werde häufig auf den Einbau von Lüftungsanlagen oder die Umsetzung eines Lüftungskonzeptes verzichtet. Oft seien Lüftungsanlagen aber auch schlecht installiert und gewartet.

Dazu kommen Schimmel- und Feuchteschäden sowie Altlasten wie Asbest, PCB, Holz­schutzmittel oder teerhaltige Kleber, die durch die Sanierung freigelegt und damit ak­tiviert werden können. Durch die nahezu luftdichte Gebäudehülle nach einem Aus­tausch der Fenster oder einer Außenwanddämmung ist der Luftwechsel häufig so ge­ring, dass Schadstoffe aus vorhandenen Bauteilen zum Problem werden. Ein Beispiel ist das in hohen Konzentrationen krebserregende Formaldehyd. Ein weiteres Problem­feld sind Reaktionen zwischen alten Substanzen und neuen Materialien, etwa bei der Sanierung von Fußböden und Wänden.

„In Deutschland werden hunderttausende Bauprodukte gehandelt. Nur für einen ganz kleinen Teil existieren verlässliche Prüfzeugnisse, die eine Beurteilung der gesundheit­lichen Wirkung erlauben“, sagte Peter Bachmann, Geschäftsführer des Sentinel Haus Instituts (SHI). Gemeinsam verfügen TÜV Rheinland und das SHI über Angaben zu rund 3.600 Produkten. Darunter sind solche, die von TÜV Rheinland geprüft wurden, sowie zertifizierte Produkte, die andere etablierte Label, wie zum Beispiel das nature­plus-Qualitätszeichen, tragen.

Wie sicher gesundheitlich geprüfte Produkte sind, zeigen die Messungen in einem der Modellklassenzimmer, die auf dem Gelände von TÜV Rheinland aufgebaut sind: Schon nach sieben Tagen wurden in dem mit gezielt ausgewählten Baustoffen ausgestat­teten Raum die Empfehlungswerte des Umweltbundesamtes für flüchtige organische Stoffe und Formaldehyd unterschritten. Eine weitere gute Nachricht ist, dass die ge­prüften Baustoffe eine verlässliche Qualität haben und bezahlbar sind.

Modellklassenzimmer, die auf dem Gelände von TÜV Rheinland aufgebaut sind
Modellklassenzimmer, die auf dem Gelände von TÜV Rheinland aufgebaut sind 

„Im Zusammenspiel neuer Baustoffe untereinander und dann zusätzlich mit vorhande­nen Substanzen gibt es unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten. Wer hier nicht vor­her prüft und testet, spielt mit dem Zufall, und damit mit der Gesundheit von Kindern und Lehrpersonal“ betonte Bachmann. Es sei völlig unverständlich, dass Autos alle zwei Jahre auf ihre Sicherheit geprüft werden, Bildungsbauten aber in der Regel nur bei Problemfällen nämlich dann, wenn Kinder oder Lehrer über gesundheitliche Proble­me klagen. Besonders nach dem Abschluss von Baumaßnahmen sollten Innenräume überwacht werden, da Schadstoffbelastungen in der Raumluft häufig erst zeitverzö­gert auftreten.

Planer, Handwerker und Betreiber brauchen Unterstützung

Wie heftig die Belastungen ausfallen können, zeigte sich bei der Simulation mehrerer Modernisierungs- und Sanierungszyklen in den Modellklassenzimmern. Der Empfeh­lungswert des Umweltbundesamtes von 300 Mikrogramm VOC pro Kubikmeter wurde direkt nach Malerarbeiten oder der Erneuerung des Fußbodenaufbaus zum Teil um das 300-fache überschritten. Auch bei Formaldehyd wurde mit bis zu 1.300 Mikrogramm je Kubikmeter eine mehr als 20fache Überschreitung des Empfehlungswertes der Weltge­sundheitsorganisation WHO (60 µg/m³) registriert. Häufig führt die Unkenntnis von Planern, Handwerkern und Reinigungspersonal zu Fehlverhalten. Etwa durch das Ver­mischen ungeeigneter bauchemischer Materialien und falsche Verarbeitungsmengen und Verarbeitungsorte. Kommen dann noch Zeitdruck und unzureichende Lüftungs­phasen hinzu, wie es bei der Sanierung in Ferienzeiten üblich ist, sind gesundheitli­che Probleme vorprogrammiert.

Die gesundheitliche Qualitätssicherung in Bildungsbauten ist mit dem Abschluss der Bauarbeiten aber nicht beendet, sondern setzt sich mit der Auswahl der Möbel und der Schulung des Reinigungspersonals fort. Qualitätsunterschiede gibt es auch im Be­reich der Möblierung, wobei es im vorliegenden Projekt zwischen geprüften und unge­prüften Produkten keine extremen Abweichungen gab. Die Prüfung der Auswirkung von Reinigungsprodukten dauert an.

Beratung und Informationen für Schulträger, Planer und Nutzer

So wie es Fachplaner für Statik, Brandschutz und Akustik gibt, braucht es Fachkom­petenz für die Innenraumhygiene. Ein entsprechender Fachplaner hat die gesundheits­relevanten Hygiene- und Qualitätsaspekte im Bau-, Modernisierungs-, Instandhal­tungs-, und Reinigungsprozess im Blick und verhindert spätere Schäden und Kosten.

Wissen rund um die Thematik hilft auch bei unvorhergesehenen Problemfällen, sei es beim erfolgreichen Krisenmanagement gegenüber Eltern, Presse oder für die richtigen Maßnahmen zur Beurteilung der Belastung. Auf einer Fachkonferenz am 28. April in Köln bieten TÜV Rheinland und SHI mit Hilfe zahlreicher Fachleute kompakte aber umfassende Informationen rund um das gesündere Bauen, Renovieren und Betreiben von Bildungsbauten.

TÜV Rheinland und das SHI wollen die Messreihen fortsetzen, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen und Problembereiche zu identifizieren. Zudem werden in den kommenden Monaten nach und nach Leitfäden für die Vergabe von Bau- und Dienstleistungen bei Neubau, Sanierung, Instandhaltung, Reparaturen, Modernisierung, Nutzung und Reini­gung erarbeitet. Weitere Aspekte sind Vorgaben für die Auswahl geeigneter Baustoffe und deren Verarbeitung sowie die Erarbeitung von Kriterien für die Qualitätssicherung und -kontrolle beim Bau und der Sanierung von Bildungsbauten. Auch für Hausmeister und Reinigungspersonal und sogar für die Eigenleistungen von Eltern sind Informations­materialien geplant.

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