Stellungnahme des DIBt zu „brandgefährlichen Polystyrol-Fassaden”
(12.12.2011) Der im NDR-Fernsehen gezeigte Beitrag „45 Min - Wahnsinn Wärmedämmung“ und der darauf Bezug nehmende Artikel „Wärmedämmung kann Hausbrände verschlimmern“ auf SPIEGEL-online beschreiben ein vermeintlich hohes Brandrisiko bei der Verwendung von Wärmedämmverbundsystemen mit Polystyroldämmstoff (EPS-Hartschaumplatten), obgleich diese Systeme bauaufsichtlich zugelassen sind.
Stellungnahme des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt)
Nach den Landesbauordnungen müssen Außenwandbekleidungen von Gebäuden über 7 m einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktionen schwerentflammbar sein. Für kleinere Gebäude genügen bauordnungsrechtlich normalentflammbare Außenwandbekleidungen.
Bei den vom DIBt zugelassenen WDV-Systemen mit
Polystyroldämmstoffplatten (EPS-
- zum einen der Nachweis der Baustoffklasse B1 (schwerentflammbar) nach DIN 4102-1 für die "Komponente" EPS-Hartschaumplatten erbracht werden und
- zum anderen ist für das komplette WDV-System der Nachweis, dass die Anforderungen an schwerentflammbare Baustoffe erfüllt werden, durch Brandprüfungen nach nationalen (DIN 4102-1) oder europäischen Prüfverfahren (DIN EN 13823) sowie ggf. durch zusätzliche Großversuche im Maßstab 1:1 zu führen.
Die Einstufung "schwerentflammbar" bedeutet dabei, dass unter den
Bedingungen eines beginnenden Zimmerbrandes bzw. bei Beanspruchung
einer Außenwandbekleidung durch Flammen aus einem im Vollbrand
stehenden Raum der energetische Beitrag des betreffenden Baustoffs
(hier WDV-System) zum Brand sowie die daraus resultierende
Brandausbreitung über den Primärbrandbereich hinaus gering sind.
WDV-
Dieses seit Mitte der 1990er Jahre bekannte Brandverhalten führte dazu, dass durch Hersteller und den Fachverband WDVS in Abstimmung mit dem DIBt unter Einbeziehung des zuständigen Sachverständigenausschusses (SVA) des DIBt und der Bauaufsicht konstruktive Brandschutzmaßnahmen gegen eine Brandausbreitung und Brandweiterleitung bei WDV-Systemen mit EPS-Dämmstoffen entwickelt und in umfangreichen Testserien geprüft wurden. Die verbindliche Festschreibung dieser Maßnahmen erfolgte dann in den allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen für diese WDV-Systeme.
Im Einzelnen wird dazu in den Zulassungen für o. g. WDV-Systeme als konstruktive Maßnahme die Sturzbekleidung und eine seitliche Verkleidung von Außenwandöffnungen mit nichtbrennbaren Mineralwolledämmstoffen oder alternativ die Anordnung von Brandsperren aus nichtbrennbaren Mineralwolledämmstoffen über jedem zweiten Geschoss festgelegt. Die Anordnung von Brandsperren in mindestens jedem 2. Geschoss ist mit der Fachwelt (Sachverständige, Bauaufsicht) im Hinblick auf die Begrenzung einer möglichen Brandausbreitung bei Gebäuden über 7 m bis 22 m abgestimmt.
Diese Lösung berücksichtigt, dass bei Außenwänden mit Öffnungen
(Fenster) und ohne brennbare Außenwandbekleidungen, im Falle eines
Raumbrandes Flammen aus den Fenstern schlagen werden. An die im
darüber liegenden Geschoss befindlichen Fenster (und deren Gläser)
werden keine Anforderungen an eine Feuerwiderstandsfähigkeit
gestellt; die Anforderung an eine Feuerwiderstandsfähigkeit
besteht grundsätzlich nur für die Geschosstrenndecken (mit
Ausnahme bei Gebäudeklasse 1), d.h. die aus den Fenstern
schlagenden Flammen können das darüber befindliche Geschoss (und
die Fenster) erreichen. Das mögliche Versagen der Fenster
(Glasbruch) durch die thermische Einwirkung von Flammen wird
hingenommen. Insofern ist die Anordnung von Brandriegeln in jedem
2. Geschoss im Einklang mit den Bestimmungen der
Landesbauordnungen und sie begrenzt wirksam eine
Brandausbreitung/
Zu dem bei der MPA Braunschweig durchgeführten Brandversuch
... ist Folgendes anzumerken: Der Versuchsaufbau entsprach nicht dem für Zulassungsprüfungen geforderten Aufbau, wie er auch im Arbeitsentwurf von DIN 4102-20 beschrieben wird. Anstelle eines L-förmigen Versuchsstandes wurde nur eine rückwärtige Versuchsstandswand mit dem WDV-System bekleidet und geprüft und die Wand war links und rechts durch massive Wände aus mineralischen Baustoffen begrenzt (U-förmiger Versuchsstand). Durch diese schachtförmige Versuchsanordnung wird die thermische Exposition des WDV-Systems deutlich erhöht und entspricht nicht mehr einer Brandbeanspruchung unter Realbrandbedingungen.
Zu dem im Fernsehbericht des NDR zitierten Feuerwehreinsatz
... in Berlin im Jahr 2005 ist festzustellen, dass es sich hierbei nicht um ein vom DIBt zugelassenes WDV-System handelte. Das DIBt hatte dieses Brandereignis - obwohl es nicht direkt betroffen war - zum Anlass genommen im Frühjahr 2005 in seinem SVA "Brandverhalten von Baustoffen B1/B2" über ggf. erforderliche Konsequenzen für das Zulassungsverfahren bei WDV-Systemen zu beraten. Im Ergebnis wurde von den Sachverständigen festgestellt, dass Zulassungsverfahren des DIBt nicht betroffen seien, die bisher zugelassenen WDV-Systeme seien hinreichend sicher.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt)
- Fachverband Wärmedämm-Verbundsysteme e.V.
- MPA Braunschweig
-
FAQ zum Brandverhalten von EPS-Hartschaum
... erarbeitet vom Arbeitskreis Brandschutz des Fachverbandes WDVS unter Mitwirkung von Dipl.-Physiker Ingolf Kotthoff (Ing.-Büro für Brandschutz an Fassade, Leipzig); aus der Stellungnahme des Industrieverband Hartschaum und des Fachverband Wärmedämm-Verbundsysteme zur Darstellung des Brandverhaltens von WDVS in den Medien Dezember 2011.
- Wärmedämmung unschuldig: Neue Erkenntnisse zum Brand am Londoner Grenfell Tower (16.10.2018)
- Ein Plädoyer für WDVS mit Polystyrol: „Keine Flammen durch WDVS“ (13.11.2017)
- Studie von VHV und IFB zum Thema Fassadendämmung und Brandschutz (8.8.2017)
- Brandgefährlich? Fraunhofer UMSICHT hat WDV-System mit Brandschutzputz getestet (11.7.2016)
- 0,0038% Brandereignisse mit Dämmstoffen - aber besorgniserregender Brandhemmer (9.3.2015)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Der IVH reagiert: "Styropor ist nicht brandgefährlich" (12.12.2011)
- Diskreditierung der Fassadendämmung laut Deutscher Energie-Agentur „haltlos” (12.12.2011)
- Fachverband WDVS startet Recycling-Forschungsprojekt (12.12.2011)
- Neue Komponenten und Verfahren sollen Vakuum-Isolations-Paneele verbilligen (12.12.2011)
- Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme veröffentlicht neue Verarbeitungsrichtlinie (7.12.2011)
- "Vorwärts dämmen" u.a. mit einem Bio-Dämmstoff aus polymerisierter Milchsäure (31.10.2011)
- "Tuning für WDV-Systeme": Neue Broschüre zu weber.therm retec (15.9.2011)
- Verkaufsstart für neue Trockenplatte Inthermo HFD-Exterior Compact (14.9.2011)
- Neuer Homatherm Planungsguide mit Dämmlösungen vom Keller bis zum Dach (15.9.2011)
- Putzträgerbrandriegel in der WLG 035 mit beidseitiger Haftbeschichtung (14.9.2011)
- Kompendium der Wärmedämmung von BASF Wall Systems (7.7.2011)
- Fraunhofer IBP bereitet Forschungsvorhaben zu Algen und Pilzen an Fassaden vor (7.7.2011)
- StoColor X-black schützt dunkle WDVS-Oberflächen mit NIR-Technologie vor Überhitzung (7.7.2011)
- Brandschutz und WDVS - auf 32 Seiten (13.5.2010)
siehe zudem:
- WDVS, Dämmstoffe und Brandschutz auf Baulinks
- Literatur / Bücher zu den Themen Wärmedämmung und Niedrigenergiehaus bei Baubuch / Amazon.de