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2.800 m² zusätzlicher Wohnraum durch vertikale Nachverdichtung in München

(15.7.2011) Pro Jahr müssten aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland mindestens 200.000 Wohnungen neu gebaut werden. Doch die Realität sieht anders aus. Vor allem in Großstädten ist die Situation brenzlig. Für die Münchner wird es in den kommenden Jahren besonders eng, denn hier werden laut den Berechnungen des Eduard Pestel Instituts bis in 15 Jahren fast 300.000 Wohnungen fehlen. Eine alternde Bevölkerung sowie zunehmend strengere Vorschriften an Energieeffizienz verstärken das Problem zusätzlich: Viele der älteren Häuser sind weder seniorengerecht noch besonders wärmedämmend ausgebaut. Da Neubauten aber zusätzlich Platz einnehmen und eine Flächenausweitung des Wohnraums nur sehr begrenzt möglich ist, sind Bauherren und Architekten auf Alternativlösungen angewiesen. Ein Konzept, das immer mehr Anhänger findet, sind Aufstockungen von Bestandsgebäuden. Ist das Vorhaben gut durchdacht, bringen diese Zusatzetagen eine Reihe von Vorteilen mit sich, sind in kurzer Zeit errichtet und steigern die Wohnqualität in diesen Quartieren.

Knapper Wohnraum in deutschen Städten: Laut den Berechnungen des Eduard Pestel Instituts werden in 15 Jahren allein in München fast 300.000 Wohnungen fehlen. (Bild: Maximilian Dörrbecker, wikimedia commons) 

Um rund elf Prozent wird die Bevölkerung in München in den nächsten 20 Jahren anwachsen - in einer Stadt, in der Wohnraum schon heute knapp ist und Mieten sowie Grundstückspreise immer weiter in die Höhe schießen. Besonders empfindlich trifft diese Entwicklung Menschen mit geringem Einkommen. Denn laut Dagmar Englert-Friedrich, verantwortliche Architektin bei der GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München mbH, sinkt gleichzeitig Jahr für Jahr der Bestand an Sozialwohnungen. „Problematisch ist vor allem, dass zum einen die Wohnflächen sehr begrenzt sind und zum anderen der Bedarf an großen Wohnungen zunimmt“, so Englert-Friedrich.

Durch Nachverdichtung wurde 2.800 m² Wohnraum geschaffen

Trotz dieser Knappheit konnte die GWG kürzlich am Innsbrucker Ring, also mitten in der Stadt (siehe Bing-Maps und/oder Google-Maps), 39 neue Unterkünfte mit einer Gesamtgröße von fast 2.800 m² schaffen – durch Nachverdichtung. Neben einem parallel zur Straße errichteten Neubau, der gleichzeitig als Schallschutz dient, wurden die vorhandenen drei Bestandsbauten nach oben erweitert: In Holzbauweise wurde auf das vierte Stockwerk jeweils ein fünftes aufgesetzt und allein durch diese Maßnahme 25 neue Zwei- bis Dreizimmer-Wohnungen geschaffen. „Diese Aufstockungen haben den Vorteil, dass auf unserem eigenen Grundstück auf sehr wirtschaftliche Art mehr Wohnraum geschaffen werden kann“, so Englert-Friedrich. „Durch die zusätzlich erstellten Nutzflächen in bereits vorhandenen Immobilien werden sowohl die Erschließungen als auch die Tragwerke mehrfach genutzt“, ergänzt Christine Machacek, Geschäftsführerin der Säbu Holzbau GmbH, welche die Aufbauten angefertigt hat.

„Immobilien werden künftig in die Höhe wachsen müssen, um dem steigenden Platzbedarf gerecht zu werden“, sagt auch der Architekt Karlheinz Kagerer, der bei dem Münchner GWG-Projekt die Bauleitung innehatte. Die Neu- und Umbauten am Bestand lohnten sich hier, obwohl der Gebäudekomplex aus den Anfängen der 1960er Jahre stammt. „Zum einen erfüllt das Haus statisch die nötigen Vorgaben und zum anderen wäre für einen weiteren Neubau an dieser Stelle schlicht kein Platz gewesen.“

Rohbaumontagen dauerten jeweils nur fünf Tage

Zur Errichtung der Terrassenetage wurde das Satteldach rückgebaut, anschließend erhielt das letzte Bestandsgeschoss eine neue Massivdecke. Parallel dazu wurden die Wände für die neuen Wohnungen bei der Säbu Holzbau in Biessenhofen vorgefertigt. Das Industrieunternehmen war für diese Arbeit in einem europaweiten Vergabeverfahren ausgewählt worden. Innerhalb von zwei Wochen fertigten die Mitarbeiter Wand- und Dachelemente für die jeweils 70 Meter langen Baukörper. Der Einbau der Fenster und Türen erfolgte ebenfalls schon im Werk. Anschließend konnten die bereits vollständig geschlossenen Wandelemente, auf LKW verladen, ihre Reise nach München antreten und wurden dort per Kran auf das vierte Geschoss gesetzt. Fünf Tage dauerte die jeweilige Rohbaumontage auf die drei Baukörper. Und eine Woche nach Montagebeginn waren die Elemente mit der witterungsbeständigen Außenhaut regendicht.

Dass sich die GWG trotz der aus Ziegel gebauten Häuser für eine zusätzliche Etage aus Holz entschied, hat praktische Gründe, wie Bauleiter Kagerer erklärt: „Da der Baustoff Holz eine hohe Festigkeit bei geringem Eigengewicht hat, muss der Bestandsbau nur eine sehr geringe Last tragen.“ Im Gegensatz zu Aufbauten in Massivbauweise war es daher trotz der sich vom Bestandsbau unterscheidenden Grundrisse weder notwendig, mittels eines Einbaus von Unterzügen das Haus statisch zu ertüchtigen noch das Gebäude während der Bauphase umfangreich abzudichten - obwohl die Arbeiten zur Herbst- und Winterzeit ausgeführt wurden. Durch die schnelle Montage wurde das Schadensrisiko, das mit einem offenen Dach in der Regel verbunden ist, erheblich reduziert. Auch für die Bewohner - sowohl die derzeitigen als auch die künftigen - sei dieses Konzept der Aufstockungen aus Holzelementen die optimale Lösung. „Die Mieter können selbst während der Bauphase in ihren Wohnungen bleiben und werden nur für kurze Zeit während der Montage durch die Arbeiten belästigt“, so Machacek. Zudem können laut Kagerer die neuen Bewohner schneller einziehen als das bei einem Massivbau der Fall gewesen wäre, da nach einer weitaus kürzeren Rohbauphase schneller mit dem Ausbau des Terrassengeschosses begonnen werden kann.

Energieeffizienz und hoher Schallschutz

Für den Bauleiter kam es vor allem darauf an, dass die Teile präzise angefertigt wurden und somit gleich bleibend hohen Qualitätsstandards entsprechen: „Fertigbauten sind in der Regel weitaus verlässlicher, da bereits eine Kontrolle stattgefunden hat, bevor die Elemente letztendlich vor Ort montiert werden“, berichtet Kagerer. So führt das Holzbauunternehmen Säbu eine stetige Eigenüberwachung durch und lässt von dem Institut für Holzforschung der TU München nach Maßgaben des RAL-Gütezeichens regelmäßige Fremdkontrollen vornehmen - sowohl bei der Herstellung als auch der Montage. Da Holz als nachwachsender Rohstoff zudem als CO₂-Speicher wirkt, leiste das neue Geschoss dabei einen entscheidenden Beitrag für nachhaltiges Bauen: „Dadurch, dass Holz von Natur aus besonders wärmedämmend ist, passt diese Bauart perfekt zum Gesamtkonzept des Bauherrn“, so Machacek. 

Darüber hinaus gab es aufgrund der Lage und dem hohen Verkehrsaufkommen von täglich 70.000 Fahrzeugen am Innsbrucker Ring hohe Anforderungen an einen ausreichenden Schallschutz. Die Ingenieure von Säbu Holzbau planten daher einen komplett zweischaligen Aufbau der Wandelemente. „Dazu konstruierten wir zusätzlich zu den Außenwänden bereits im Werk eine frei stehende Installationsebene und erreichten dadurch einen hohen Schallschutz nach außen hin“, erklärt Friedrich Nagel, Werksleiter bei Säbu Holzbau.

Weitere Informationen zur vertikalen Nachverdichtung in Holzbauweise können per E-Mail an SÄBU Holzsystembau angefordert werden.

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