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Der Gotthard-Basistunnel und ein fliegender Software-Wechsel

(21.12.2010) Es ist ein Jahrhundertprojekt, das Ende der 90er Jahre des letzten Jahrtausends an mehreren Stellen in Angriff genommen wurde. Ab 2017 sollen Züge mit bis zu 250 km/h den Gotthard-Basistunnel durchfahren (siehe Google-Maps). In planerischer Hinsicht werden die Gähler und Partner AG, nach einem fliegenden Software-Wechsel hauptsächlich unterstützt von Allplan Ingenieurbau, dann einen beträchtlichen Anteil am finalen Erfolg für sich verbuchen können.

Der Gotthard-Basistunnel gilt als Pionierleistung des 21. Jahrhunderts. Nach seiner für 2017 geplanten Fertigstellung wird er mit einer Länge von 57 Kilometern der längste Tunnel der Welt und die schnellste Querung der Alpen sein. Ziel des Projekts ist es, die Schweiz an die europäischen Hochgeschwindigkeitssysteme anzubinden und die wachsenden Verkehrsströme in den Alpen soweit wie möglich auf die Bahn zu verlegen.

Gotthard-Basistunnel
Bohrarbeiten an der Tunnelbrust (Bild vergrößern)  

Durch die Möglichkeit, auf der neuen Strecke schnellere und längere Züge einzusetzen, wird sich die Kapazität des Güterverkehrs mehr als verdoppeln - so die Erwartung. Im Personenverkehr soll sich die Fahrzeit zwischen Zürich und Mailand von heute mehr als vier auf weniger als drei Stunden verringern.

Es begann vor 50 Jahren

Das erste Projekt für einen Basistunnel wurde bereits in den frühen 60er Jahren erarbeitet. Damals war man noch vom Konzept eines Doppelspurtunnels ausgegangen. Tatsächlich beschlossen wurden im Jahr 1995 hingegen zwei 40 Meter auseinander liegende Einspurröhren mit rund 180 Querschlägen in einem Abstand von jeweils 325 Metern. Ebenfalls vom aktuellen Konzept umfasst sind je eine Multifunktionsstelle in Sedrun und Faido mit zwei doppelten Spurwechseln, Nothaltestellen sowie den Technikräumen mit Sicherungs- und Schaltanlagen. Auch Teile der Lüftungsinstallationen sind hier untergebracht.

Bauherrin ist die AlpTransit Gotthard AG, eine Tochtergesellschaft der SBB AG. Die Rohbauarbeiten am Tunnel werden/wurden von vier Arbeitsgemeinschaften geplant und ausgeführt.

Um das Großprojekt innerhalb kürzest möglicher Zeit bewältigen zu können, wurde es in fünf Abschnitte aufgeteilt: Von Norden nach Süden folgen aufeinander ...

Die drei mittleren Abschnitte wurden über Zwischenangriffe ausgebrochen.

Die außergewöhnlichen Dimensionen erfordern große logistische Anstrengungen. Von allem wird mehr benötigt, als im Tunnelbau sonst üblich ist: Etwa mehr Frischluft, weil ein größeres Tunnelvolumen belüftet werden muss, mehr Transportgeräte für Menschen, Baumaterial und Ausbruch, mehr Rettungsmaterial sowie mehr Kühlung.

Erstfeld und Amsteg

1994 erhielt die Ingenieurgemeinschaft Gotthardbasistunnel-Nord unter der Federführung von Gähler und Partner AG, den Auftrag für die Planungsarbeiten und die örtliche Bauleitung der nördlichen Teilabschnitte Erstfeld und Amsteg. Auch die dazugehörige Umweltbaubegleitung und Geologie sind Teil des Auftrags.


Tagbautunnel (Bild vergrößern)  

Das Los Erstfeld, mit einer Länge von 7,4 Kilometern, umfasst neben den beiden Einspur-Tunnelröhren und 22 Querstollen ein unterirdisches Verzweigungsbauwerk, für die künftige Verlängerung des Tunnels in Richtung Norden. Ebenfalls in die Planung inbegriffen ist der 600 m lange Tagbautunnel, das Nordportal sowie sämtliche baubetrieblich erforderlichen Außenanlagen wie z.B. Baustellenbahnhof, Betonaufbereitung, Wasserbehandlungsanlagen.

Zum darauf folgenden Teilabschnitt Amsteg (Länge 11,4 Kilometer) zählt neben dem eigentlichen Tunnel mit 38 Querstollen und einem Leitungskabelstollen (1,9 km) der nördliche Zwischenangriff. Dieser besteht aus einem Zugangsstollen von 1,8 km Länge, sämtlichen Außenanlagen und verschiedenen Anpassungen an kommunale Infrastrukturbauten. Beispielsweise musste eine Kantonstraße verlegt werden, weil sich ihr ursprünglicher Verlauf mit dem Portal des Zugangsstollens überschnitt.

Innerhalb der Ingenieurgemeinschaft planten Gähler und Partner AG die beiden Hauptvortriebe Erstfeld und Amsteg sowie sämtliche Außenanlagen in Amsteg wie Straßenumlegungen und neue Erschließungsstraßen, Installationsflächen, Flächen für Unterkünfte, Kantinen und Büros, sowie die Anpassung des bestehenden Werkgleises zwischen Erstfeld und Amsteg samt Baustellenbahnhof.

Fliegender Softwarewechsel

In der ersten Phase des Projektes nutzten Gähler und Partner AG zunächst eine CAD-Lösung von Speedikon. Die bereits in die Jahre gekommene Anwendung musste aber aus technischen Gründen mitten während den Planungsarbeiten durch eine neue Lösung ersetzt werden. Gesucht wurde ein CAD-System mit einer breiten Funktionspalette, um möglichst viele Planungsarbeiten mit nur einer Software durchführen zu können.

Weströhre, links Röhre für Abzweiger 

Die Entscheidung fiel auf das modulare Lösungspaket Allplan von Nemetschek, das Gähler und Partner AG mit 18 Lizenzen seither auch in allen weiteren Projekten im Hochbau, in der Tragwerksplanung, in der Haustechnik sowie im Tief- und im Untertagebau nutzen.

Die Arbeiten in Amsteg waren noch mit Speedikon geplant worden. Gegen Ende der Bauarbeiten in Amsteg und dem Beginn der Ausführungsplanung in Erstfeld kam der Umstieg auf Allplan. Die neue Software bestand dem Vernehmen nach ihre Feuertaufe ohne Schwierigkeiten: Alle Pläne des ersten Bauabschnitts konnten fehlerfrei übernommen und im zweiten Bauabschnitt problemlos weiterbearbeitet werden.


Heilige Barbara auf der Tunnelbohrmaschine Ost
 

"Speedikon war ursprünglich für Unix-Server konzipiert, zudem wurde die Lösung vom Hersteller nicht mehr unterstützt. Dass die Datenübernahme aus diesem vergleichsweise artfremden und alten System so gut funktioniert hat, war für uns ein wesentlicher Erfolgsfaktor", erinnert sich Raphael Wick, Gesamtprojektleiter seitens Gähler und Partner AG.

Auch in der Zusammenarbeit innerhalb der Ingenieurgemeinschaft und mit den anderen Baubeteiligten habe man beim Datenaustausch von Allplan profitiert: "Im Projekt kommt eine Vielzahl von Programmen in den unterschiedlichsten Versionen zum Einsatz. Entsprechend wichtig ist es, die Pläne in einwandfreier Qualität austauschen zu können. Es ist ungemein aufwändig, wenn die Pläne erst aufbereitet werden müssen, weil Details wie Strichfarben und -stärken nicht stimmen oder Schriften verzerrt sind. Mit Allplan gibt es dabei keine Probleme", so Raphael Wick.

Durchgängige Planung

Typisch für den Tunnelbau ist die Aufteilung des Tunnels in so genannte Blöcke, die Grundelemente eines jeden Tunnels. Die Blocklänge - im Fall des Gotthard-Tunnels 10 Meter - entspricht der Elementlänge des Innengewölbes. Unterschieden wird zwischen ...

  • Standardblöcken und
  • Blöcken, die Besonderheiten, wie Nischen, Kabelschächte, Entwässerungsschächte oder ähnliches aufweisen.

Auf die Gesamtlänge des Tunnels verteilt wiederholen sich die verschiedenen Blocktypen mehr oder weniger häufig.

Mit Hilfe von Allplan entwickelten Gähler und Partner ein Standard-Blockmodell, aus dem alle anderen Typen abgeleitet werden. Für sämtliche weiteren Pläne wurde/wird nun auf diese Blockvorlagen zurückgegriffen. Das Gleiche gilt für Standarddetails wie Schächte und Nischen.

"Allplan erleichtert die Planbearbeitung und reduziert die Fehleranfälligkeit. Trotz Standardisierung haben wir rund 120 verschiedene Blockpläne und über 1000 Pläne insgesamt erstellt. Eine riesige Datenmenge, die das Programm aber problemlos bewältigt", meint Raphael Wick.

Kostenoptimierung mittels CAD

Da im Tunnelbau ein plangenaues Ausbrechen der Querschnitte nicht möglich ist, entsteht immer ein so genanntes Überprofil, dessen Dicke im Bereich von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Dezimetern variiert. Je nach Größe muss dieses ganz oder teilweise mit Beton verfüllt werden, was zu entsprechenden Kosten führt.


Tunnelbrust mit Mineur (Bild vergrößern)  

Ebenfalls ungewiss ist im Tunnelbau, welches Ausmaß die Querschnittsdeformationen haben werden. Damit im Endzustand der notwendige freie Querschnitt nicht beeinträchtigt wird, muss eine entsprechende Reserve eingeplant und ausgebrochen werden. Treten dann die Deformationen nicht im angenommenen Ausmaß ein, entstehen auch hier infolge Mehrbetonverbrauchs zusätzliche Kosten.

Zur Optimierung des Betonverbrauchs und damit der Kosten haben die Ingenieure ein System mit größenverstellbaren Schalungen entwickelt. Die Festlegung der jeweiligen Schalungsgeometrie erfolgt dabei mit Allplan. Eine digitale Oberflächenvermessung, welche die genaue Lage der Ausbruchsicherung zeigt, wird in Allplan eingelesen und mit den Normalprofilen hinterlegt. Unter Berücksichtigung der minimalen Bauteilabmessungen und der geometrischen Randbedingungen aus dem Betrieb wird anschließend die optimale Schalungskonfiguration ermittelt.

Gestört? - Bewehrt!

Tunnelstrecken ohne Besonderheiten werden in der Schweiz üblicherweise nicht bewehrt, es genügt eine Auskleidung mit Beton, weil das Gewölbe die Beanspruchungen aus dem Gebirge wie eine Bogenbrücke über Normalkräfte abträgt. Erforderlich wird eine Armierung jedoch an statisch "gestörten" Stellen, wie beispielsweise bei Querschlägen, bei denen zwei Hohlräume aufeinander treffen.

Auch geologische Gegebenheiten wie natürliche Schwächezonen, also Übergangsbereiche zwischen verschiedenen Gesteinsarten beziehungsweise Gebirgsfalten, können zu statischen Herausforderungen führen, die eine Bewehrung nötig machen. "Die großen Überlagerungen von bis zu 2400 Metern können beim Gotthard-Projekt in Störzonen zu ungewöhnlich hohen Spannungen führen. Es kam an verschiedenen Stellen vor, dass die hohen Drücke selbst Ausbruchsicherungen mit massiven Stahlprofilen innerhalb nur weniger Wochen deformierten und Reprofilierungen nötig wurden", beschreibt Raphael Wick.

Schalwagen in der Tunnelwechselaufweitung 

Mit Unterstützung von Allplan begegnen die Ingenieure derlei statischen Herausforderungen auf zwei Arten:

  • Entweder dadurch, dass sie an den fraglichen Stellen entsprechend hohen Widerstand in Form von Stahlbogen, Bewehrung und Spritzbeton einplanen.
  • Oder durch den Einbau weicher Bereiche, innerhalb derer sich das Gebirge verformen kann. Hierzu werden spezielle Stahlprofile verwendet, die sich - ähnlich wie Stoßdämpfer - zusammenschieben lassen. Zusätzliche Verstärkungen verhindern Restbewegungen.

Innengewölbe mit gelber Abdichtungsfolie (Bild vergrößern)  

In solchen Bereichen mit hohen geotechnischen Beanspruchungen wurde das Innengewölbe bewehrt. Die Bewehrung wurde mit Hilfe des Allplan Bewehrungsmoduls entworfen. Neben der Möglichkeit der 3D-Darstellung von komplexen Elementen war es sehr hilfreich, dass die Software die Stücklisten der Bewehrungselemente automatisch ermittelt und sich manuelles Auszählen erübrigt.

2D für Standards, 3D für Spezielles

Für Standardplanungen erarbeiten Gähler und Partner Grundrisse, Schnitte und Details in 2D. An schwierigen Stellen oder um Problembereiche aufzuzeigen, zogen/ziehen die Ingenieure jedoch die 3D-Planung vor beziehungsweise arbeiten mit Visualisierungen. So lässt sich beispielsweise geometrisch überprüfen, ob ausreichend Platz zur Verfügung steht, ob Gewölbestärken und Lichtraumprofile stimmen oder ob die gedachten Kabelführungen möglich sind.

Gerade im Zusammenhang mit Kabelrohranlagen, die ihre Richtung ändern, ergeben sich immer wieder planerische Herausforderungen. So kommen die Anlagen bisweilen horizontal aus der Sohle des Tunnels, enden aber vertikal im Tunnelgewölbe und ändern dabei sehr oft noch die Richtung. Auch laufen häufig mehrere Kabelschutzrohre zunächst parallel im gleichen Querschnitt, um sich an einer bestimmten Stelle zu trennen und in ihrem weiteren Verlauf unterschiedlichen Richtungen zu folgen. Erschwerend kommt hinzu, dass - je nach Kabelart - maximale Biegeradien zu berücksichtigen sind.

Amsteg Westroehre 

Ein anderes Beispiel für eine schwierige Stelle liegt in Amsteg, wo sowohl der Zugangsstollen als auch ein Kabelstollen für die Bahnstromversorgung auf die beiden Tunnelröhren treffen. Die sich ergebenden räumlichen Verschneidungen der verschiedenen Strukturen wurden ebenfalls in 3D geplant.

Status und Ausblick

In Erstfeld ist der Vortrieb abgeschlossen, aktuell läuft der Innenausbau, also die Betonarbeiten. Die Pläne sind hier zu 80 Prozent fertiggestellt. Manchmal müssen noch Details an den Ausführungsplänen geändert werden, "weil auf Grund der komplexen Randbedingungen immer mal wieder etwas anders ist, als ursprünglich gedacht", erklärt Raphael Wick.

In Amsteg wurde bereits im Dezember 2009 der Rohbau abgeschlossen und dem Bauherrn übergeben. Derzeit erfolgt die Vorbereitung der bahntechnische Ausrüstung. Gähler und Partner AG erstellen aktuell die Revisionspläne.

Der Durchbruch am 15.10.2010 

Weitere Informationen zu Allplan können per E-Mail an Nemetschek Allplan angefordert werden.

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