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Vakuumdämmung im Großformat

(23.4.2008) Im Rahmen eines Forschungsvorhabens testete Variotec an drei baugleichen Gebäuden im südhessischen Hofheim die Möglichkeit, eine bestehende Althauswand mit vakuum-gedämmten Großflächenelementen (GEDT) zu sanieren. Dieses Verfahren bietet sich an, wenn der Platzbedarf für ein herkömmliches Wärmedämmverbundsystem (WDVS) mit 20 cm zu dick auftragen und dadurch Grenzabstände verletzen würde. Das bauphysikalische Ergebnis überzeugte: Die nur 9,1 cm starken GEDT-Elemente verbesserten den gesamten U-Wert der Außenwände auf 0,19 W/m²K Bei den Befestigern sieht Variotec derzeit allerdings noch Verbesserungspotenzial.


Aus unsanierten Altbauten entweichen über schlecht gedämmte Außenwände und Fenster täglich Unmengen an Heizenergie in die Atmosphäre. Nach einer Schätzung des Passivhaus Instituts Darmstadt verlieren "Standardhäuser" über diese beiden Bauteile insgesamt 47 Prozent ihrer Heizenergie. Mit einer energetischen Gebäudesanierung lässt sich der Heizenergiebedarf in Altbauten heute bereits von 220 kWh/m²a auf bis zu 15 kWh/m²a absenken. Das bewies unter anderem das Projekt "Sanieren mit Faktor 10". Für den Erfolg der Sanierung spielen Qualität und Art der neuen Fenster sowie der neu aufgebrachten Außendämmung eine entscheidende Rolle. Wie gut dabei die neue Außenwand vor Kälte und Hitze schützt, hängt unter anderem von der Dicke und der Art des Dämmstoffes ab.

Energetische Sanierung mit Haken

In der Regel dauert es bis zu drei Wochen, bis das Gerüst gestellt ist, die Handwerker den alten Putz abgehackt haben, die alten Fenster aus- und wieder eingebaut werden, die neue Dämmung verklebt bzw. aufgedübelt wird und die Außenwand verputzt oder verschalt ist. Die Beeinträchtigungen, die dabei für Mieter und Hauseigentümer bestehen, reichen von Baulärm über die durch Gerüstplanen verdunkelte Wohnung bis hin zum Schmutz in den eigenen vier Wänden. Ein weiterer Haken: Um Altbauten auf Passivhausniveau zu dämmen, müssen die Gebäude in der Regel mit bis zu 20 cm dicken Dämmpaketen versehen werden. Grenzt das Haus dabei unmittelbar an den "öffentlichen Raum" Bürgersteig oder an des Nachbars Grundstück, würden die Dämmpakete dort hinein ragen und baurechtlich gesehen den Grenzabstand verletzen. Eine Frage, die immer häufiger deutsche Gerichte beschäftigt.

Wissenschaftler such(t)en Lösungen

Wie lässt sich aber eine Außendämmung ausführen, die einen hohen wärmetechnischen Anspruch erfüllt, dabei eine geringe Bautiefe aufweist und durch Vorfertigung kurze Montagezeiten mit wenigen Nacharbeiten ermöglicht? Genau dieser Frage ging ein Forschungsvorhaben an drei kleinen fast baugleichen Mehrfamilienhäusern in der Wilhelmstraße im südhessischen Hofheim am Taunus nach, das im Frühjahr 2006 startete und im Dezember 2006 abgeschlossen werden konnte. Unter dem Förderkennzeichen 0329750V untersuchten Wissenschaftler und Industriepartner zum einen die Praxistauglichkeit von "Großelement-Dämmtechnik (GEDT) mit Vakuumdämmung". Zum anderen beschäftigte die Forscher, wie sich unterschiedlich ausgeführte Energiesparmaßnahmen an den Gebäuden aus dem Jahr 1927 auswirken, vom Neubaustandard nach Energieeinsparverordnung (EnEV) über den Standard Energiesparhaus KfW 60 (ESH 60) bis hin zum KfW-40-Standard (ESH 40). Die Gebäude wurden in jeweils einem dieser Standards saniert. Trotz Dämmung sollten die Häuser möglichst wenig in den angrenzenden öffentlichen Gehweg hineinragen.

Die Dicke des verwendeten Dämmstoffes beträgt bei den von der Straße abgewandten Fassaden 24 cm bzw. 20 cm, was im Gehwegbereich zu Problemen bei der Baugenehmigung geführt hätte. Deshalb bot sich an der Straßenseite der Einsatz von Vakuumdämmung an, um einen schlanken Wandaufbau zu erreichen.

Förderer dieses Projekts waren übrigens das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie über den Projektträger Jülich (PTJ) und das Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung. Das Institut Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt koordinierte das Vorhaben.

Dünner dämmt besser

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Dem in Neumarkt in der Oberpfalz angesiedelten Unternehmen Variotec oblag die Aufgabe, die großflächigen Vakuum-GEDT-Elemente herzustellen und auf der Straßenseite der drei Gebäude einzubauen. Mit der Materie kennt sich das Team rund um Geschäftsführer Christof Stölzel und Architekt Martin Forstner aus: Die Spezialisten für Passivhauselemente und Vakuumdämmtechnik haben in den letzten drei Jahren zahlreiche Lösungen für den Baubereich entwickelt, angefangen vom Passivhausbausystem Qasa über die extrem dünne "Multifunktionstür" bis hin zu Qasaflex, einer Spezialdämmung in der Sanierung. Allen Produkten gemeinsam ist eine Dämmschicht aus Vakuum-Isolations-Paneele (VIP), bei der eine mehrlagige, metallisierte Hochbarrierefolie einen unter Vakuum stehenden Stützkern aus pyrogener Kieselsäure diffusions- und luftdicht abschließt.

Forschung bereitet Weg

Damit die großflächigen GEDT-Elemente überhaupt gebaut werden konnten, entwickelte das Bochumer Ingenieurbüro Gathmann, Reyer und Teilhaber (IGRT) eine praxistaugliche Befestigungstechnik. Parallel dazu untersuchte das Institut für Fenstertechnik in Rosenheim verschiedene Varianten für den Fenstereinbau in die einzelnen GEDT-Elemente. Diese sollten bereits von vornherein integriert sein, um den Bauablauf zu beschleunigen. Mithilfe der Wärmebrückenberechungen des IWU Darmstadt konnten die Planer auch die optimale Einbauebene für die Fenster bestimmen sowie die Überlappungslängen der VIP-Elemente zu der seitlichen Standarddämmung an den Gebäudekanten festlegen. In Abstimmung mit dem Bauherrn, der Hofheimer Wohnungsbau GmbH, und dem für die Gesamtsanierung zuständigen Mühltaler Architektur- und Ingenieurbüro "Planungsgruppe Drei" entstand eine Konstruktion, mit der sich alle Anforderungen erfüllen ließen:

Aufbau eines GEDT-Elementes
(von Innen nach Außen aufgezählt))

Ebene Schichtaufbau Funktion
1 20 mm Mineralwolle (zusammendrückbar) Ausgleich von Unebenheiten des Putzes zum bestehenden Mauerwerk
2 27 mm Tragplatte aus Kerto-Furnierschichtholz Tragende Schicht im Dämmpaneelaufbau. Aufnahme aller Befestigungselemente und Lasten sowie Anbindung zur Bestandswand
3 2,75 mm Schutzschicht (Sperrholz + 0,25 mm Alu) Aluminiumplatte als mechanischer Schutz der Vakuumdämmung und Dampfsperre
4 40 mm VIP-Dämmung Dämmung
5 2,5 mm Sperrholz Schutzschicht für Vakuumdämmung
6 18 mm Baufurniersperrholz-Platte Träger der Unterkonstruktion der äußeren belüfteten Bekleidung
7 20 mm + 5 mm Aluminium-Hohlprofil Unterkonstruktion für Fassadenbekleidung
8 8 mm Vollkern-Schichtstoff-Fassadenplatte Fassadenbekleidung

Die Fenster ordneten die Planer in der VIP-Ebene an, da sie dort vom Bauablauf her die größten Vorteile bieten. Pro Haus ließ Variotec jeweils fertigen ...

  • zwei 5,25 m x 2,50 m,
  • zwei 5,25 m x 3,25 m sowie
  • vier Füllelemente für den Bereich "obere Außenwand - Traufe".

Die Herstellung der symmetrischen, knapp 91 mm starken, GEDT-Elemente übernahm die Holzbaufirma O.Lux aus Georgensmünd. Bei den Fenstern entschieden sich die Projektanten für die passivhauszertifzierten Holzfenster Energyframe aus dem Hause Variotec. Die Fenster weisen eine Bautiefe von lediglich 11 cm auf und bringen es auf einen UW-Wert von 0,73 W/m²K. Die inklusive Fenster vorgefertigten Wandelemente transportierte ein Glasinnenlader zur Baustelle.

Neue Aufhängetechnik entwickelt

Bevor es jedoch soweit war, mussten die Planer viele knifflige Details lösen. Ein Problem: Die Befestigung der einzelnen Bauteilschichten. Da sich die Vakuumdämmung nicht einfach durchbohren lässt, mussten das Bochumer Ingenieurbüro Gathmann, Reyer eine Vielzahl neuer Befestigungssysteme entwickeln, welche zum einen die verschieden Bauteilschichten fest miteinander verbindet, zum anderen die Lasten aus Eigengewicht, Winddruck, Windsog und Erdbeben aus dem GEDT-Element sicher in die Althauswand abträgt. Insgesamt kamen zehn neue Befestigungstypen zum Einsatz. Um beispielsweise die Lasten der äußeren Schale auf die innere Tragplatte aus Furnierschichtholz zu übertragen, mussten die VIP-Dämmelemente an definierten Stellen durchstoßen werden. Mit schräg angeordneten Stahl-Zugstangen (PG-Befestiger) lösten die Planer die Lastübertragung durch die VIP-Dämmschicht hindurch. Außerdem mussten die Verbinder in der Lage sein, Unebenheiten des Untergrundes ausgleichen zu können. Dies erreichten die Ingenieure mit zum Teil vertikal und horizontal justierbaren Verbindern.

Als weiteres Problem entpuppte sich die Zweischaligkeit der 30 cm dicken Mauerwerks-Außenwände in Hofheim. Sie bestehen aus zwei tragenden 11,5er Einzelwandschalen mit dazwischen liegender Luftschicht und einzelnen Bindersteinen. Diese Konstruktion erhöhte den Aufwand zur Verankerung der GEDT-Elemente in den Aufhängepunkten, den sog. "E-Befestigern". Die Lösung: Verbundanker greifen nun durch die Vorderschale und die Luftschicht hindurch bis in die Hinterschale und verankern so das GEDT-Element. Um im Vorfeld die Festigkeit der Außenwand zu überprüfen, führte die Fischer Anwendungstechnik so genannte "Dübelauszugsversuche" mit einer Last von 10 kN pro Dübel durch. Mit einem exakten Aufmass ermittelten die Planer zudem die Geometrie des Bestandsgebäudes. Aufgrund dieser Maßvorgaben ließen sich die großflächigen Bauteile exakt herstellen.

Mit dem Stapler zügig montiert

Die exakte Vorfertigung zahlte sich auch bei der Montage aus. Nachdem sämtliche Befestiger in der Bestandswand montiert waren und ein Probelauf mit einem Großflächenelement geglückt war, hob ein Teleskopstapler jedes GEDT-Element an seinen endgültigen Bestimmungsort. Für die Montage hatten die Ingenieure Stahltraversen entwickelt, über die der Staplerfahrer die GEDT-Elemente exakt in der Wand positionieren konnte. Nach mehrmaligen Einbau ging die Montage dann zügig voran: Element anheben, knapp vor die Wand fahren, Element ausrichten, Einhängen, fertig. Für die Montage einer kompletten GEDT-Fassade benötigte das Team zum Schluss nur noch vier Stunden. Ein vor der Montage eingebrachter Vergussmörtel an den so genannten W-Aufhängepunkten stellte die Befestigung sicher. Die Restarbeiten wie das Aufkleben der Wetterschale, der Ausbau der bestehenden Fenster und der luftdichte Anschluss der neuen Fenster inklusive Gipskartonlaibung gingen angeblich im Vergleich zu herkömmlichen Sanierungen um 45 % zügiger vonstatten. Aus energetischen Gründen war eine Dämmung des Sockels mit Vakuumdämmung nicht notwendig. Deshalb endet die Unterkante der GEDT-Fassade nun in Höhe der Kellerdecke. Die Dämmung des Sockels erfolgt mit einem klassischen Wärmedämmverbundsystem (WDVS).

Energetische Werte überzeugen

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit einer Gesamtdicke von 124 mm (inkl. Fassadenbeplankung) kommt die straßenseitige GEDT-Wand auf einen U-Wert von 0,19 W/m²K. Um den gleichen U-Wert z.B. mit einer Styropor-Dämmung zu erreichen, hätte die Gesamtdicke inklusive Dämmung 95 mm dicker ausfallen müssen. Die Befürchtung, dass die Vielzahl der integrierten Stahlbefestiger den U-Wert der GEDT-Elemente massiv verschlechtern würde, bestätigte sich nicht. Auch die Stoßfugen der VIP-Elemente beeinflussen den Gesamt-U-Wert nur unwesentlich. Darüber gaben Wärmestromberechnungen Aufschluss. Auch die abschließenden Schallmessungen durch das ift Rosenheim attestierten der Konstruktion die Einhaltung der Normen. Da es sich um ein Forschungsvorhaben handelte, werden Langzeitmessung des Wärme- und Feuchte-Verhaltens über eingebaute Messsonden Aufschluss über das Langzeitverhalten geben.

Kosten für Einzelfertigung noch zu hoch

Das Vorhaben hat gezeigt, dass der Bau von funktionstüchtigen GEDT-Elementen für die Fassadensanierung möglich ist. Variotec-Geschäftsführer Christof Stölzel erläutert: "Aus Kosten des Pilotprojektes kann keine Ableitung für die Marktfähigkeit getroffen werden. Der hohe Preis resultiert aus der technisch neu konzipierten und sehr aufwändigen Aufhängevorrichtung. Unser VIP/Qasa-Element hat an dem Gesamtpreis nur einen geringen Anteil und ist wirtschaftlich darstellbar. Der Löwenanteil im Preis rührt aus den Zusatzmaßnahmen im Bereich der Befestigungsentwicklungen, Messtechnik und der Aufmaßtechnik".

An eine Serienfertigung denken die VIP-Spezialisten aus Neumarkt derzeit noch nicht, dazu müssen erst die Befestigungsteile wirtschaftlicher hergestellt werden. Langfristig gesehen und nach einer Optimierung der Befestiger, könnte sich die Sanierung mit VIP-gedämmten GEDT-Elementen an baurechtlich problematischen Stellen der Grenzbebauung für Bauherren jedoch durchsetzen.

Aus bauaufsichtlicher Sicht bedarf die Sanierung mit den GEDT-Elementen derzeit einer Zustimmung im Einzelfall. Für die einzelnen VIP/Qasa-Elemente läuft ein Zulassungsverfahren beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in Berlin.

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