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Fachaufsatz: „Neue Impulse für den Wohnungsbau“

  • Autor: Kunibert Gerij, Sprecher des Arbeitsausschusses Technik der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerksbau e.V., Vorsitzender Fachverband Ziegelindustrie Nordwest, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der UNIPOR Ziegel Gruppe

Autor: Kunibert Gerij

(4.12.2007) Das politische Meinungsbild "Deutschland sei gebaut" hat zu fatalen Folgen für das Baugewerbe sowie für die Bau- und Wohnungswirtschaft geführt. Die unterdurchschnittliche Eigentumsquote im internationalen Vergleich, die Altersstruktur des Wohnungsbestandes und die aufgrund der demographischen Entwicklung veränderten Wohnbedürfnisse werden in fahrlässiger Weise nicht gewürdigt.

Der Deutsche Mieterbund stellt in seiner Mieter-Zeitung, Ausgabe Juni 2007, fest: "Die Fertigstellungsrate von Wohnungen reicht nach wie vor nicht aus, den Wohnungsbedarf zu befriedigen und weist auf die Wohnungsbedarfsprognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung in Bonn von Anfang des Jahres 2006 hin, dass zwischen 2006 und 2010 jährlich rund 280.000 Wohnung gebaut werden müssen."

Allein für Baden-Württemberg stellt eine Studie des Leibnitz-Institutes ein Nachfragepotential zwischen 2005 und 2015 von circa 577.000 Wohnungen fest. Das Ministerium für Bau- und Wohnungswesen in Düsseldorf weist für NRW auf die Folgen des Rückganges im Mietwohnungsbau hin und schätzt den jährlichen zusätzlichen Wohnungsbedarf zwischen 65.000 und 80.000 Wohnungen. Dieses Bedarfspotential stellt sich analog auch in den anderen alten Bundesländern.

Eine weitere Zukunftsaufgabe der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sind die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Wohnbedürfnisse der älteren und pflegebedürftigen Bevölkerung. Der Anteil der altersgerechten Wohnungen liegt in Deutschland bei nur 1 Prozent.

Die Altersstruktur des Wohnungsbestandes und die aufgrund des demographischen Wandels resultierenden veränderten Wohnbedürfnisse machen sicherlich ein Umdenken der Wohnungswirtschaft erforderlich. Deshalb braucht die Wohnungswirtschaft ein "integriertes Infrastrukturprogramm" auch für die vom Strukturwandel betroffenen Regionen in den alten Bundesländern. Ein solches integratives Programm muss einen anderen, ganzheitlichen Ansatz verfolgen.

Der Neubaubedarf ergibt sich zum gewichtigen Teil als Ersatz für den Abriss, die Zusammenlegung oder Umwandlung von Wohnungen. Es ist - anders als noch vor einem Jahrzehnt - nicht nur ein Wachstumsbedarf sondern insbesondere in den Städten ein Erneuerungs- und Anpassungsbedarf.

Tabelle: Altersstruktur des Wohnungsbestandes in NRW
(Quelle: Wfa, Datenbank 2001)

Jahr der Fertigstellung Wohnungen (in Tsd.) Anteil in Prozent geförderte Wohnungen (in Tsd.) Anteil geförderte WE in Prozent
Bestand 1.1.1948 2.521 29      
1948-1959 1.732 20 1.428 68
1960-1969 1.486 17 902 54
1970-1979 1.262 15 546 43
1980-1989 718 8 239 33
1990-2000 926 11 266 29

Aus dem Altersstrukturanteil des Wohnungsbestandes, der ohne weiteres auf andere Bundesländer zu übertragen ist, kann insbesondere für die Bestände von 1948 bis 1959 ein erhebliches Bestandsersatzkonzept abgeleitet werden.

Problematisch sind vor allem die Bausubstanz und der Zuschnitt dieser Wohnungen, die in der Notsituation nach dem 2. Weltkrieg errichtet wurden. Diese Wohnungen haben Wohnungsgrundrisse von 45 bis 48 m² für Familien mit zwei oder drei Kindern. Für diese Wohnungen sind Sanierungskonzepte unter ökonomischer und marktorientierter Betrachtung nicht sinnvoll.

Die bautechnische und wohnungswirtschaftliche Beurteilung dieser Wohnungsbestände, die mit dem Standard des 1. WoBauG errichtet wurden, hat zu dem Ergebnis geführt, dass eine Renovierung mit Kosten verbunden ist, die deutlich oberhalb der vergleichbaren Neubaukosten liegen.

Ein weiteres Problemfeld sind vier- und mehrgeschossige Gebäude ohne Aufzug. Unter Zugrundelegung der 1-Prozent-Stichprobe des Statistischen Bundesamtes von 1978 ergibt sich folgendes Bild:

In der damaligen Bundesrepublik gab es rund 565.000 Wohngebäude mit 7 und mehr Wohnungen, folglich mit einem Gesamtwohnungsbestand von circa 6,5 Millionen Wohnungen. Unter der Voraussetzung, dass in den Baujahrgängen bis 1978 lediglich 10 Prozent der mehrgeschossigen Gebäude einen Aufzug besaßen, gibt es aus diesen Jahrgängen rund 610.000 Gebäude mit knapp 6 Millionen Wohnungen ohne Aufzug. Da auch in den Jahren nach 1978 noch 4 Geschosse in erheblicher Anzahl ohne Aufzug gebaut worden sind, schätzt die Wohnungswirtschaft die Gesamtzahl der Gebäude ohne Aufzug in der alten Bundesrepublik auf circa 650.000. Ein zusätzliches Defizit dieser Wohnungen sind die nicht mehr bedarfsgerechten Wohnungszuschnitte.

Hier bietet sich die große Chance, nicht ausschließlich durch Sanierungs- sondern auch durch Bestandsersatzkonzepte ein sinnvolles, den Herausforderungen von neuen Wohnbedürfnissen angepasstes Neubauvolumen zu schaffen.

Ein wichtiger Schritt für die Umsetzung dieses Konzeptes für den geförderten und frei finanzierten Wohnungsbau wäre die Erweiterung der Mittelverwendung der Modernisierungs- und Renovierungsprogramme der KfW auch für den Bestandsersatz.


Wichtig für die Bauwirtschaft in Deutschland: Der mehrgeschossige Wohnungsbau.

Mit attraktiven und den neuen Wohnbedürfnissen, insbesondere für ältere Menschen, angepassten Neubauwohnungen in den Innenstädten kann die Zuwanderung gefördert werden. Schließlich führt ein Abriss und Neubau überwiegend zu einer Verdichtung der Bebauung, die Infrastruktur in den Städten wird besser ausgenutzt und eine Versiegelung weiterer Flächen im Umland unterbleibt.

Des Weiteren können mit dem dargestellten Bestandsersatzkonzept wichtige politische Ziele realisiert werden:

  • Schonung der Grundstücksressourcen
  • Erhalt der Kaufkraft in den Städten
  • Bessere Ausnutzung von Energieeinsparkonzepten durch Neubau
  • Verbesserung der Standortqualität
  • Schaffung neuer Wohnungsqualität für behinderte und ältere Menschen

Unter differenzierter Betrachtung von regionalen Märkten haben wir einen Anpassungs- und Erneuerungsbedarf, in den Ballungszentren einen Wachstumsmarkt für altersgerechten Wohnraum und einen erheblichen Investitionsbedarf für betreutes Wohnen, Pflegeheime und sonstige soziale Einrichtungen.

Politische Rahmenbedingungen

Bereits in den letzten Jahren wurden die Rahmenbedingungen für Investoren von Immobilien durch die Steuergesetzgebung erheblich verschlechtert.

     ●   Herabsetzung der Abschreibungssätze 1996,2004
     ●   Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer 1996
     ●   Anhebung der Grunderwerbssteuer 1997
     ●   Verlängerung der Spekulationsfrist 1999
     ●   Beschränkung der Verlustverrechnung 1999
     ●   Verbot der Verlustverrechnung für negative Einkünfte 2002
     ●   Beschränkung des Verlustvortrages 2004
     ●   Abschaffung der Eigenheimzulage 2006
     ●   Abschaffung der degressiven AfA 2006

Mit der neuen Unternehmens- und Erbschaftssteuerreform werden insbesondere mit der Einführung der Zinsschranke und der geplanten Neubewertung von Immobilien weitere investitionshemmende Rahmenbedingungen für Investoren geschaffen. Die Freigrenze von 1 Million Euro (Darlehensvolumen von circa 20 Millionen Euro) wird von vielen mittelständischen Wohnungsbauunternehmen überschritten.

Die Politik kann nicht durch das Mietrecht die Spielräume der Kostenmiete eingrenzen bzw. den Mietzins deckeln und noch zusätzlich die steuerlichen Instrumente für die Förderung von bezahlbarem Wohnraum abschaffen.

Kapitalanlageberater (zum Beispiel Fuchsbrief) empfehlen aufgrund der anstehenden Erbschaftssteuerreform das Jahr 2007 als Zeitpunkt, sich vom Immobilienbestand zu trennen und nicht mehr in Immobilien zu investieren.

Länder, wie zum Beispiel Österreich, bewerben deutsche Investoren mit Hinweis auf die Unternehmens- und Erbschaftssteuerreform in Deutschland.

Weitere Auswirkungen der politischen Signale "Deutschland ist gebaut" sind überzogene Bonitäts- und Eigenkapitalanforderungen der Banken für Investments im Wohnungsbau, aber auch bei Investitionen der Bauindustrie. Folglich werden diese von Wohnungswirtschaft und Industrie zurückgestellt.

Die Finanzpolitik muss realisieren, dass eine Gegenfinanzierung durch Steuereinnahmen aus Investitionen durchaus eine Alternative sein kann.

Die geplanten finanzpolitischen Entscheidungen werden aufgrund der ausbleibenden Investitionen den Binnenmarktmotor "Bau" weitgehend zum Erliegen bringen und nicht nur negative Auswirkungen auf der Steuereinnahmenseite nach sich ziehen, sondern insbesondere die mittelständisch geprägte Zulieferindustrie, das Baugewerbe und die Branche der Architekten und Ingenieure gefährden.

Das Mietrechtsreformgesetz vom 1.9.2001 und weitere überzogene Forderungen im Mietrecht, wie zum Beispiel die aktuelle Forderung des Verbraucherschutzes, die Heizkosten für den Mieter zu begrenzen und die Mehrkosten dem Vermieter anzulasten, steigern sicherlich auch nicht die Investitionsbereitschaft.

Dokumentiert wird das dargestellte Szenario durch Absatzrückgänge der deutschen Mauerwerksindustrie von circa 40 Prozent, Baugenehmigungsrückgänge von circa 50 Prozent (siehe auch Baukonjunktur aktuell). Diese Zahlen sind bereits eine schwere Hypothek nicht nur für dieses, sondern auch schon für das Jahr 2008. Der dramatische Einbruch im Ein- und Zweifamilien-Hausbau zeigt auch auf, dass die Eigenheimzulage keine "Mitnahmezulage" war, sondern ein Instrument für Schwellenhaushalte, ihren Wunsch nach Wohneigentum zu verwirklichen.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Wirtschaftswachstum ohne die volkswirtschaftlich unverzichtbare Säule "Bauwirtschaft" mit ihrer beschäftigungspolitischen Wirkung nicht realisierbar ist.

Durch eine Verstetigung der Bautätigkeit, die zu einer Stabilisierung der Bauwirtschaft führt, kann sichergestellt werden, dass auch in Zukunft noch ein funktionierender Wirtschaftszweig in Deutschland existiert, der dann die drängenden Infrastruktur- und Wohnraumprobleme lösen kann.

Einen beschäftigungspolitisch bedeutenden Wirtschaftszweig durch Fehleinschätzung seiner Wachstumspotentiale in "Wartestellung zu positionieren", bedeutet in der Konsequenz:

  • Verhinderung von Wirtschaftswachstum
  • existenzielle Bedrohung von Mittelstandsunternehmen
  • Förderung der Arbeitslosigkeit
  • Wohnungsmangel
  • steigende Wohnungsmieten.

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