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Sondierungsprojekt: Energiekostenanstieg, soziale Folgen und Klimaschutz

(19.12.2006) Das ifeu-Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg führte gemeinsam mit dem Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) ein Sondierungsprojekt zum Energiekostenanstieg und den Folgen für Haushalte mit geringem Einkommen in Deutschland durch. Dabei wurden auch unter Klimaschutzaspekten mögliche Handlungsstrategien für einen effizienten Umgang mit Energie in den Haushalten untersucht. Durch eine Reduktion des Energieverbrauchs sind häufig Kostensenkungen möglich, ohne dass dies zu einem Komfortverzicht führen muss. Der Schwerpunkt des Projektes lag auf dem Handlungsbedarf sowie Handlungsoptionen bei Empfängern von Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Sozialhilfe. Das Projekt wurde von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert.

Berechnungsansatz für Haushaltsstrom von der Preisentwicklung abgekoppelt

Die Kosten für Haushaltsenergie (Strom) sind anteilig im pauschalen Regelsatz von 345 Euro enthalten. Die Strompreise für private Haushalte erhöhten sich von 1998 bis 2006 laut Verbraucherpreisindex um 26,8 Prozent. Im diesem Zeitraum wurden die Ansätze für Haushaltsstrom im Regelsatz nur um 7,2 Prozent angepasst. Derzeit erhält ein Ein-Personen-Haushalt 20,74 Euro im Monat für den Stromverbrauch von Beleuchtung, Waschen, Kochen, TV und elektrische Warmwasserbereitung.

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Die geplante Anpassung in 2007 auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 kann den Preisanstieg nur begrenzt auffangen. Von den Energieversorgern wurden bereits weitere Preissteigerungen angekündigt. Zudem bleibt der Regelsatz in Höhe von 345 Euro im Jahr 2007 gleich, da bei Gütern anderer Abteilungen die Ansätze reduziert wurden. Den Leistungsempfänger fehlen Informationen über die Ansätze für Haushaltsstrom im Regelsatz. Dies wäre hilfreich, damit ggf. durch eine Anpassung des Stromverbrauchs ein ausreichendes Budget für andere notwendigen Ausgaben verbleiben kann.

Private Haushalte in Deutschland erhalten in Deutschland nur einmal jährlich eine Abrechnung ihrer Energieversorger, die auf ihrem tatsächlichen Stromverbrauch beruht. Damit wird kein zeitnahes Feedback gegeben, das jedoch eine wichtige Grundlage für ein angepasstes sparsames Verhalten wäre, wie es vor allem bei Haushalten mit geringem Einkommen notwendig wäre.

Das vorhandene Budget in den betroffenen Haushalten reicht für die Anschaffung energieeffizienter Haushaltsgeräte nicht aus, da diese Anschaffungen aus den Regelleistungen bestritten werden müssen. Die Möglichkeit, zum Beispiel durch Sammeleinkäufe der zuständigen Ämter die Anschaffungskosten für effiziente Kühlschränke oder Waschmaschinen zu senken, ist damit nicht gegeben. Wirtschaftliche Entscheidungen, die auch die Folgekosten des Stromverbrauchs einbeziehen, sind für die Leistungsempfänger aus den zur Verfügung stehenden Mitteln kaum möglich.

Der Stromversorger E.ON. hat für Haushaltsstrom im Rahmen eines Modellprojektes in Bayern mit einem Sozialtarif reagiert. Ähnliche Regelungen werden z.Zt. von weiteren Energieversorgern überprüft, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Es ist jedoch kaum zu erwarten, dass ein solches Tarifangebot in Deutschland flächendeckend eine Kostenentlastung für einkommensschwache Haushalte bieten wird.

Steigende Heizkosten werden zunehmend zur Belastung für Kommunen

Im Rahmen der Sozialgesetzgebung werden Heizkosten in voller Höhe übernommen, soweit sie angemessenen sind. Dies führt zu steigenden Belastungen der öffentlichen Haushalte, die vor allem von den Kommunen getragen werden müssen. Im Durchschnitt stiegen die Heizenergiepreise von 1998 bis 2006 um 106%. Während die Heizölpreise seit 1998 um 184% anstiegen, fielen die Preissteigerungen bei anderen verbreiteten Heizenergieträgern wie Erdgas (+78%) oder Fernwärme (+77%) etwas geringer aus. In 2006 betrugen die Heizkosten von ALG-II Beziehern bundesweit schätzungsweise 2,7 Mrd. Euro, von denen 1,9 Mrd. Euro auf die Kommunen entfallen.

Den zuständigen Trägern fehlen Bewertungsmaßstäbe für die Angemessenheit von Heizkosten, unter anderem aufgrund mangelnder Expertise in baulich-energetischen Fragen. Die Bewertung erfolgt anhand der Heizenergiekosten und nicht anhand des tatsächlichen Heizenergieverbrauchs. Viele Kommunen versuchen die steigenden Heizkosten durch die Einführung Obergrenzen für die Erstattung aufzufangen. Vor allem Bewohner von schlecht isolierten Gebäuden mit hohen Heizkosten sind von dieser Regelung betroffen. Zwar haben Gerichte mehrfach entschieden, dass die Kommunen auch für die stark erhöhten Heizkosten aufkommen müssen. Dennoch ist die gegenwärtige Praxis unübersichtlich und führt bei vielen Haushalten zur Verunsicherung. Die bestehenden Regelungen sind auch unter fiskalischen und klimapolitischen Gesichtspunkten als problematisch zu bewerten, da sie für Haushalte mit geringem Einkommen weder angemessene Informationsangebote noch ausreichende Anreize zum sparsamen Umgang mit Heizenergie vorsehen.

Energieberatungsangebote scheitern an zahlreichen Hemmnissen

Angebote zur Energie(spar)beratung für Haushalte mit geringem Einkommen durch ALG-II oder Sozialhilfe stoßen auf zahlreiche Hemmnisse. Wie die Untersuchung von Beratungsangeboten zeigt, können zielgruppenspezifische Angebote hier durchaus erfolgreich sein. Die Einrichtung langfristiger Angebote in der notwendigen Form scheitern jedoch meist aufgrund von Kostenrestriktionen. Werden, um Kosten zusenken, Energieberatungsanbote mit weiteren Zielen wie der Schaffung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitssuchende verbunden, können weitere Erschwernisse hinzukommen.

Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz für Kommunen bzw. Leistungsträger

Aufbauend auf den Ergebnissen des Sondierungsprojektes wurden folgende Vorschläge entwickelt:

  • Verbesserung der Datenlage bzgl. der Ausgabenentwicklung für Heizkosten im Bereich ALG II, Sozialgeld und Sozialhilfe, um die Bedeutung des Problems besser einschätzen zu können.
  • Entwicklung von objektiven Bewertungskriterien bzgl. der Angemessenheit der Heizkosten, die eine einfache und wenig zeitaufwendige Abwicklung ermöglichen.
  • Entwicklung eines Anreizsystems für einen sparsamen Umgang mit Heizenergie, das sich auf den Heizenergieverbrauch und nicht auf die Heizkosten bezieht.
  • Verbesserung von Informationsaustausch und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verwaltungseinrichtungen (Fachämter für Soziales und Energie, Stadtteilbüros, kommunale Wohnungsbaugesellschaften etc.) und Beratungsanbietern (Verbraucherzentralen, Wohlfahrtsverbänden, Schuldnerberatungsstellen, Mietervereinen etc.)

Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz für die Leistungsempfänger:

  • Ergänzende Informationen als Orientierungshilfe (z.B. als Beilage zu den Leistungsbescheiden), welche Ansätze für Haushaltsenergie in den Regelsätzen enthalten sind und wie viele Kilowattstunden Strom damit verbraucht werden können. Kontaktadressen für Energie(spar)beratungen in der Umgebung.
  • Der Berechnungsansatz für den Regelsatzhaushaltsenergieanteil sollte überprüft werden, da er in seiner jetzigen Form nicht plausibel ist.

Dies gilt insbesondere bzgl. der (pauschalen) Abzüge für Heizstrom und bei nicht-elektrischer Warmwasserbereitung. Für diesen Bereich sollten zudem bundeseinheitliche Leitlinien für die Umsetzung entwickelt werden.

Wenn es den Kommunen gelingen würde, mit einem gezielten und abgestimmten Vorgehen durch Effizienzmaßnahmen (ohne Komfortverzicht) nur 5% ihrer Heizkosten im Bereich ALG-II- und Sozialgeld von rund 1,9 Milliarden Euro einzusparen, könnten die kommunalen Haushalte jährlich um etwa 95 Millionen Euro entlastet werden. Damit ließe sich zumindest ein Teil der zu erwartenden weiteren Kostensteigerungen auffangen. Die freigesetzten Gelder sollten deshalb unter anderem in die Maßnahmen zur energetischen Sanierung kommunaler Wohngebäude investiert sowie für ergänzende Beratungsprojekte eingesetzt werden, um so durch weitere Verbrauchsreduzierungen Preissteigerungen abzufangen.

Gleichzeitig sollten die Leistungsempfänger mit den vorgeschlagenen Aktivitäten im Bereich Haushaltsenergie unterstützt werden. Da die Schere zwischen der Preisentwicklung für Haushaltstrom und dem Berechnungsansatz für Haushaltsenergie auch mit der Regelsatzanpassung in 2007 kaum geringer werden wird, sind hier dringend zusätzliche Hilfestellungen notwendig.

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