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Stadiondach in Nan Tong, China, öffnet und schließt hydraulisch

(10.8.2006) Das neue Stadion von Nan Tong in der chinesischen Provinz Jiangsu (siehe Google-Maps) ist Chinas erstes großes Stadion mit einem Dach, das geöffnet und geschlossen werden kann. Das Besondere dabei besteht darin, dass erstmals in der Geschichte Antrieb und Stabilisierung der beweglichen Dachelemente hydraulisch erfolgen. Enerpac übernahm die Entwicklung und die Installation des fortschrittlichen Antriebs- und Steuerungssystems, bei dem Laufkatzen eine wichtige Rolle spielen.

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Unter dem 2.200 t schweren Stadiondach befinden sich ein Fußballfeld, eine 400m-Leichtathletikbahn und diverse weitere Einrichtungen. Insgesamt nimmt das Stadion eine Fläche von 48.000 m² ein. Es ist Teil eines größeren Komplexes, der unter anderem auch ein Ausstellungszentrum beherbergt, und eine Gesamtfläche von 150.000 m² bedeckt. Damit ist dieser Komplex, der mit dem Olympiastadion in Peking verglichen wird, der größte und multifunktionellste in der Geschichte der Provinz Jiangsu. Für den Bau war eine Investition von 1,1 Mrd. RMB (China Yuan Renminbi) bzw. nahezu 107 Mio. Euro erforderlich.

Halbkugelförmige Schalen

Die beweglichen Dachelemente bilden zwei enorme halbkugelförmige Schalen aus Stahl und Glas, die sich über das halboffene, gewölbte Stadiondach schieben, welches ebenfalls aus einer komplexen Stahlkonstruktion besteht. Das Öffnen des Daches dauert 20 bis 30 Minuten - hier Bilder aus der Testphase ohne Dachhaut (oben geschlossen, unten geöffnet):


Jede der beiden Schalen wiegt ungefähr 1.100 t, und beim Öffnen und Schließen legt jede Schale eine Distanz von ca. 60 m zurück. Um diese schwere Stahlkonstruktion reibungslos und ohne übermäßige Torsion bewegen zu können, entwickelte Enerpac einen hydraulischen Antrieb mit einem elektronischen Kontroll- und Steuerungssystem. Laut Enerpac wird erstmalig Hydraulik zum Öffnen und Schließen eines beweglichen Daches eingesetzt.

Hydraulische Winden

Das Verschieben der beweglichen Dachschalen erfolgt mit insgesamt 16 Stahlseilen mit einer Stärke von 64 mm über acht schwere Winden (vier je Dachschale) mit jeweils 136 t Zugkraft. Zum Schließen des Stadiondachs werden die Dachschalen synchron über eine Seilrolle im oberen Dachbereich nach oben gezogen. Das Öffnen erfolgt ganz einfach mit Hilfe der Schwerkraft. Die Dachschalen gleiten gewissermaßen über das Dach nach unten in ihre Ausgangsposition, wobei die Stahlseile dem Gewicht der Schalen entgegen wirken.

Die Seiltrommel jeder Winde wird durch eine Kombination aus sechs Hydraulikmotoren und Planetenantrieb-Reduktionsgetrieben mit niedriger Drehzahl und hohem Drehmoment angetrieben. Durch diese Anordnung soll die Systemzuverlässigkeit und damit die Sicherheit gewährleistet bleiben. Selbst wenn zwei der Motorkombinationen gleichzeitig ausfallen sollten, sei so ein normaler Betrieb sichergestellt:


Schematische Darstellung einer der 8 hydraulischen Winden.

Laufkatzen auf Schienen

Die halbkugelförmigen Schalen werden von insgesamt 44 Laufkatzen unterstützt; 22 je Dachhälfte. Diese Laufkatzen laufen auf Schienen, die in die Dachkonstruktion integriert sind und fungieren gewissermaßen als Räder der Dachschalen. Dank der Unterstützung durch die Laufkatzen, bildet das komplette Dach einen sogenannten 'superstatischen, räumlichen Mechanismus'.

Als Lösung für den komplizierten Mehrpunktantrieb der beweglichen Dachschalen wurde jede Laufkatze mit einer eigenen hydraulischen Einheit ausgestattet. Diese Einheit besteht aus einer Pumpe und verschiedenen Korrekturzylindern, mit denen beim Öffnen und Schließen jeder Stützpunkt der beweglichen Dachschalen in drei Richtungen korrigiert werden kann. Über Druck- und Bewegungssensoren wird fortwährend kontrolliert, ob eine mögliche (Schienen)Blockade der Laufkatze auftritt, sei es als Folge eines Installationsfehlers des Hauptbogens, sei es aufgrund einer abweichenden Bewegung beim Öffnen oder Schließen. Aufgrund der Daten dieser Sensoren werden der Hydraulikdruck und der Hub der Korrekturzylinder angesteuert, und das Stahlseil kann entsprechend angepasst werden.

Vertikale und horizontale Korrektur

Mit dem vertikalen Korrekturzylinder auf der Laufkatze lassen sich eventuelle Höhenunterschiede zwischen den Dachschalen und der festen Dachkonstruktion kompensieren. Derartige Unterschiede können durch Verformung der Stahlkonstruktion des festen Dachs bzw. der beweglichen Dachschalen auftreten. Das Steuerungssystem misst dazu den Zylinderhub und den Öldruck im Korrekturzylinder. Anhand dieser Werte berechnet das Steuerungssystem beim Öffnen und Schließen der Dachschalen die Belastung der Laufkatze. Auf Basis einer bestimmten Strategie und spezieller Algorithmen steuert das System ein proportionales Servoventil an, um auf diese Weise den Druck und die Bewegung der Hubzylinder anzupassen. So kann die Belastung jeder einzelnen Laufkatze im Prinzip ausgeglichen und eine Überbelastung vermieden werden.

Die vertikalen Zylinder auf den Laufkatzen hatten im Verlauf der Installation und Inbetriebnahme der Konstruktion eine zusätzliche Funktion erfüllt: Sie wurden eingesetzt, um die Installationshöhe der Laufkatzen zu kontrollieren und eventuelle Fehler zu korrigieren, die bei der Produktion und der Installation der Stahlkonstruktion aufgetreten sein könnten. Außerdem dienten die vertikalen Hydraulikzylinder dazu, beim Vermindern der Schweißspannung in der Stahlkonstruktion ein neuerliches Anpassen der Belastung der Laufkatzen zu vermeiden.


Die beiden quer positionierten Hydraulikzylinder auf den Laufkatzen kompensieren die unvermeidliche horizontale Pendelbewegung der Laufkatzen auf den Schienen und verhindern ein seitliches 'Entgleisen'. Zu diesem Zweck werden die beim gesamten Öffnungs- und Schließvorgang der Dachteile auf die Führungsscheiben wirkenden Kräfte mit Hilfe von Sensoren in Echtzeit kontrolliert. Werden die auf die Führungsscheibe wirkenden Kräfte zu groß, steuert das Steuerungssystem unmittelbar die beiden quer positionierten Hydraulikzylinder an (seitliche Korrektur), um diese Kräfte zu reduzieren und auf diese Weise eine zu hohe laterale Belastung der Bogenkonstruktion zu verhindern.

Der hydraulische Antrieb des beweglichen Stadionsdachs wird von Enerpac als eine absolute Neuheit bezeichnet - sowohl für China als auch für den Stadionbau weltweit. Ein wichtiger Vorteil des Hydrauliksystems bestehe in der hohen Zuverlässigkeit und damit enormen Sicherheit. Darüber hinaus biete der Einsatz der Hydraulik den großen Vorteil, dass das Öffnen und Schließen der Dachschalen schrittweise, reibungslos, synchron und vor allem ohne große Torsionskräfte erfolgen könne.

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