Baulinks -> Redaktion  || < älter 2006/0578 jünger > >>|  

Tiefensee und Glos beim nächsten Trippelschritt für Energieausweise im Gebäudebestand

  • Nicht "Bedarfspaß oder Verbrauchspaß" sondern "Bedarfspaß und Verbrauchspaß"
  • Der Beliebigkeit wurde Tür und Tor geöffnet!

(7.4.2006) Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos haben am 7. April 2006 den gemeinsamen Vorschlag zur Novellierung der Energieeinsparverordnung in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung gegeben. Mit diesem Vorhaben soll eine europäische Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Die wichtigste Verbesserung ist die Einführung von Energieausweisen. Diese müssen bei Verkauf oder Vermietung eines Gebäudes oder einer Wohnung ausgestellt und Interessenten zugänglich gemacht werden (zur Erinnerung: Energieausweise bzw. Gebäudepässe sollte es eigentlich seit Anfang 2006 geben!).

Energiebedarf und Energieverbrauch im Vergleich
Bild vergrößern: Vergleich der Heizenergieverbrauchs- und Bedarfskennwerte von 99 Einfamilienhäusern (siehe auch Beitrag "Energiepaß: erhebliche Abweichungen bei Verbrauchs- vs. Bedarfsmessung" vom 5.2.2006)

Eigentümer und Vermieter haben nun laut feigem Vorschlag ein fadenscheiniges Optionsrecht! Sie dürfen wählen zwischen ...

  • dem ingenieurtechnisch berechneten Energieausweis auf der Grundlage des Energiebedarfs ("Bedarfspaß") und
  • dem Energieausweis auf der Grundlage des tatsächlichen Energieverbrauchs ("Verbrauchspaß").

Damit sei ein Rahmen für einen kostengünstigen und aussagekräftigen Energieausweis geschaffen, der auf dem Immobilienmarkt für mehr Transparenz sorgen soll - so die Minister (siehe dazu Beitrag "Energiepaß: erhebliche Abweichungen bei Verbrauchs- vs. Bedarfsmessung" vom 5.2.2006)

"Immobilienkäufer sollen künftig schon im voraus wissen, welche Energiekosten auf sie zukommen werden. Die Verbesserung der Transparenz ist auch eine Weichenstellung für die energetische Gebäudesanierung. Mit dem CO₂-Gebäudesanierungsprogramm will die Bundesregierung in den nächsten vier Jahren jährlich jeweils 1,4 Milliarden Euro bereitstellen. Mit diesem Programm und dem Energieausweis schaffen wir einen starken Anreiz zur Verbesserung der Energiebilanz von Wohngebäuden. Dies wird sich auch positiv auf die Heizkosten auswirken", sagte Tiefensee (siehe auch Beitrag "BMVBS: CO₂-Gebäudesanierungsprogramm auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockt" vom 1.12.2005).

Glos betonte: "Wir haben den marktwirtschaftlichen Ansatz gewählt in der Überzeugung, dass beide Arten des Energieausweises einen angemessenen Anreiz für energetische Sanierungen setzen werden. Zugleich vermeiden wir mit der Umsetzung der europäischen Gebäuderichtlinie 'eins zu eins' unnötige Zusatzbelastungen für Bürger und Wirtschaft. Wir werden künftig auch überprüfen, ob sich beide Ausweisarten in der Praxis bewährt haben."

Wie in der europäischen Richtlinie vorgesehen, müssen bei der Ausstellung der Energieausweise - bei beiden Varianten - auch Empfehlungen für die Modernisierung von Gebäuden gegeben werden, sofern solche Maßnahmen kostengünstig durchgeführt werden können. Im Rahmen des CO₂-Gebäudesanierungsprogramms der Bundesregierung sollen die Bedarfsausweise bei umfassenden Sanierungsmaßnahmen als unbürokratischer Nachweis genutzt werden. Für die Zeit nach dem Inkrafttreten der Verordnung sind Übergangsregelungen zum schrittweisen Wirksamwerden der Regelungen eingeplant.

Der Referentenentwurf wird in den nächsten Wochen zunächst mit den anderen Bundesministerien und anschließend mit Ländern und Spitzenverbänden erörtert, bevor die Bundesregierung die Novellierung der Verordnung endgültig beschließt. Der Bundesrat muss der Verordnung danach zustimmen.

BFW unterstützt Wahlmöglichkeit zwischen verbrauchs- und bedarfsorientiertem Energieausweis

Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) beispielsweise unterstützt den Vorschlag von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, Eigentümern und Vermietern in der Zukunft eine Wahlmöglichkeit zwischen dem verbrauchs- und dem bedarfsorientierten Energieausweis einzuräumen. Es sei optimal, "wenn bedarfs- und verbrauchsorientierter Energieausweis gleichberechtigt zugelassen werden. Auf Gebäudebesitzer wäre bei einer Pflicht zum Bedarfspass sonst eine Kostenlawine zugekommen", erklärte BFW-Bundesgeschäftsführer Alexander Rychter. Um eine Bugwelle bei der Ausstellung von Energieausweisen zu umgehen, unterstützt der BFW außerdem die angekündigte Übergangsregelung für eine schrittweise Einführung. Der BFW geht davon aus, dass infolge des Verkaufs oder der Vermietung von Gebäuden und Wohnungen in der Anfangsphase sonst auf einen Schlag mehr als zwei Millionen Energieausweise neu ausgestellt werden müssten.

Aber: Kann der zwischen den Bundesministern Tiefensee und Glos gefundene Kompromiss überhaupt als tragfähige, sinnvolle Lösung funktionieren? Eröffnet er nicht vielmehr der Beliebigkeit Tür und Tor? Eine wirkliche Vergleichbarkeit der Energieeffizienz von Gebäuden wird mit der Wahlfreiheit zumindest nicht ermöglicht. Und sollte Version 1 eines Energieausweises die Vermietung einer Wohnung oder den Verkauf eines Hauses erschweren, dann kann der Eigentümer ja noch Version 2 probieren. In der Praxis wird sich vermutlich ohnehin dann der kostengünstigere Verbrauchspaß etablieren ....

siehe auch:

ausgewählte weitere Meldungen:

Impressum | Datenschutz © 1997-2024 BauSites GmbH