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Politische Fehleinschätzung bedrohe Bau- und Wohnungswirtschaft

  • Fachtagung "Impulse für den Wohnungsbau" zeigt hemmende Rahmenbedingungen auf und lotet neue Aufgabenfelder aus
  • Chancen liegen in Ersatz-Neubaukonzepten für problematische Bausubstanz: Rund 650.000 Gebäude ohne Aufzug, Barrierefreie Umrüstung von Wohnungen
  • Forcierter Abbau von Bürokratismus und Vorschriften - z.B.: Baustoffe müssen weniger Vanadium enthalten als Mineralwässer

(29.6.2005) Eine klare Absage an die Einschätzung der Politik "Deutschland ist bebaut" erteilten hochkarätige Referenten auf der Fachtagung "Impulse für den Wohnungsbau" in Düsseldorf. Die politisch hochaktuelle Veranstaltung wurde organisiert vom Fachverband Ziegelindustrie Nordwest e.V., Essen, und dem Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen NRW, Bonn. Zielsetzung war, gemeinsam mit Experten aus Ministerien, Verbänden und Industrie diese politische Fehleinschätzung zu widerlegen, hemmende Rahmenbedingungen aufzuzeigen und neue Aufgabenfelder der Bauwirtschaft auszuloten.


Das Foto zeigt die Referenten der Tagung v.l.n.r.: Lutz Pollmann, Hauptgeschäftsführer Baugwerbliche Verbände, Düsseldorf • Dr. Günter Haber, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V., Berlin • Kunibert Gerij, Vorsitzender Fachverband Ziegelindustrie Nordwest e.V., Essen • Mdir. Michael Halstenberg, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin • Götz Krahl, Geschäftsführer Fachverband Ziegelindustrie Nordwest • MD Dr. Hans-Dieter Krupinski, Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport NRW, Düsseldorf • Falk Kivelip, Geschäftsführer Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen NRW, Bonn.

"Die fundierten Aussagen der Referenten bestätigten unsere Position: Es gibt eine Fülle von Maßnahmen, die zur Belebung der Bau- und Wohnungswirtschaft beitragen und der wachsenden Lethargie Einhalt gebieten können. Hinzu kommt eine falsche Bewertung des Wohnungsbedarfs. Denn anders als in der Vergangenheit handelt es sich heute weniger um einen Wachstumsmarkt als vielmehr um einen der demographischen Entwicklung angeglichenen Anpassungs- und Erneuerungsbedarf. Erheblichen Baubedarf signalisiert auch die im europäischen Vergleich zweitniedrigste Quote an Eigentum, dem gerade in Zeiten unsicherer Rentenpolitik hohe Bedeutung als Altersvorsorge zukommt", betonten Kunibert Gerij, Vorstandsvorsitzender des Fachverbandes Ziegelindustrie Nordwest, sowie Falk Kivelip, Geschäftsführer im Landesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen NRW.

Nicht nur, dass allein in NRW bis 2014 jährlich rund 64.000 Wohnungen neu gebaut werden müssen. Riesige Chancen eröffnet vor allem der zum großen Teil aus der Nachkriegszeit stammende Häuserbestand. Problematische Bausubstanz und Wohnungsgrundrisse mit nur 45-48 m² Fläche rechtfertigen weder ökonomisch noch marktorientiert eine umfassende Sanierung. Notwendige Kosten hierfür liegen meist deutlich oberhalb vergleichbarer Neubauten. Hinzu kommen geschätzte rund 650.000 vier- und mehrgeschossige Gebäude ohne Aufzug, die heute kaum noch vermietbar sind. Hier eröffnen sich sinnvolle Möglichkeiten für Industrie und Wohnungswirtschaft, durch Ersatz-Neubaukonzepte ein dem veränderten Bedarf angepasstes Neubauvolumen zu schaffen.

Neue Felder des Wohnungsbaus ergeben sich ferner, so die Veranstalter, durch die notwendige barrierefreie Gestaltung von Wohnungen für ältere Menschen. Aufgrund der Alterspyramide liegt der Bedarf in NRW mittelfristig bei 2,5 Mio. Wohnungen. Rund 100.000 sind aber erst entsprechend umgerüstet. Zudem müssen neue Wohnformen integriert werden, beispielsweise Wohngemeinschaften und Wohngruppen. Bei diesem Konzept werde versucht, mit einem gewissen Grad an Selbsthilfe und Betreuung das Leben im Alter zu organisieren - als Alternative zur klassischen Heimunterbringung mit erheblich reduzierten sozialen Folgekosten. Vernünftige Wohnbedingungen wieder entstehen zu lassen, sei eine der großen Zukunftsaufgaben von Politik, Bauindustrie und Wohnungswirtschaft.

Eine wesentliche Voraussetzung zur nachhaltigen Belebung der Wohnbaukonjunktur liegt des Weiteren im forcierten Abbau von aufgeblähtem Bürokratismus und verstärkten Regulierungen. Eine Entschlackung der Landesbauordnung ist ebenso unabdingbar wie der Wegfall von Baugenehmigungen bei Häusern bis zur Hochhausgrenze. Auch müssen das Mietrecht liberalisiert und antiquierte Bestimmungen abgeschafft werden. Neuere Missgriffe wie die Einführung asymmetrischer Kündigungsfristen für Mieter und Vermieter sollten unverzüglich zurückgenommen werden. Reglementierungen, wie sie die rot-grüne Koalition auf Bundesebene mit dem Antidiskriminierungsgesetz beabsichtigt, tragen zusätzlich dazu bei, den verbliebenen, minimalen Rest an Mietwohnungsbau und -sanierung endgültig auf Null zurückzufahren: Potentielle Investoren halten sich aufgrund negativer Rahmenbedingungen zurück. Dringend notwendige Investitionen in den Mietwohnungsbau finden nicht statt.

Stetige Verschärfungen der Anforderungen an Herstellung und Anwendung von Baustoffen sowie die einseitige Vorleistung der deutschen Industrie bei der Erfüllung umweltpolitischer Forderungen im europäischen Wettbewerb, bedrohen, laut Kunibert Gerij, den Standort Deutschland, erhöhen die Baukosten und gefährden somit eine ganze Branche in ihrer Existenz. Beispielhaft verwies er auf einen Beschluss der Umweltministerkonferenz der Bundesländer, neue Grenzwerte für Stoffe im Kontakt mit Boden und Grundwasser festzulegen, u.a. für Vanadium, die z.T. jeder realistischen Grundlage entbehrten. "Es kann doch nicht angehen, dass Behörden fast wahllos Faktoren festsetzen, die völlig unsinnig sind und der Industrie Millionen Euro abverlangen, um diese Unsinnigkeit zu beweisen. So beträgt der vorgesehene Geringfügigkeitsschwellenwert für Bauprodukte in diesem Zusammenhang nur einen Bruchteil dessen, was z.B. Mineralwässer an Vanadium enthalten dürfen. Spätestens jetzt muss allen Beteiligten klar werden, dass der Standort Deutschland in Gefahr ist." Vergleichbare Entwicklungen zeichneten sich bei Quarzfeinstaub, dem CO₂-Emissionshandel, bei Erdbeben- und Windbemessung sowie überzogenen Anforderungen im Schallschutz für den Wohnungsbau und den Brandschutz ab.

"Einen beschäftigungspolitisch bedeutenden Wirtschaftszweig durch Fehleinschätzung seiner Wachstumspotentiale und überzogene Anforderungen in Wartestellung zu halten, bedeutet in der Konsequenz die existentielle Bedrohung von Baugewerbe und Wohnungswirtschaft sowie die Verhinderung von Wirtschaftswachstum, keinesfalls jedoch ?Vorfahrt für Arbeitsplätze'", so Gerij abschließend.

Übrigens: Die Fachtagung "Impulse für den Wohnungsbau" wurde mitgetragen von den Bauwirtschaftsverbänden: Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e.V., die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen, Verband des Westdeutschen Baustoff-Fachhandels e. V., Deutsche Gesellschaft für Mauerwerksbau (DGFM), Baugewerbliche Verbände, IG Bau sowie VdW, Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen.

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