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Ziegelindustrie: „Massivbauweise verspricht höhere Brandsicherheit als Holzbau“

(2.9.2003) Wirkungsvoller Brandschutz muss bei Wandkonstruktionen absolute Priorität genießen - denn dabei geht es um Leben und Gesundheit der Bewohner. Darauf wies jetzt der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V., Bonn, Architekten und Bauherren hin. Auf der absolut sicheren Seite seien Bewohner von Ziegelmassivhäusern, da gerade Ziegelwände in hohem Maße den Brandschutzbedingungen entsprechen. Diese Auffassung bestätigen auch neue Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Ulrich Schneider der TU Wien, die im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte in den zurückliegenden Jahren gewonnen wurden. Dabei wurden vergleichende Risikobetrachtungen an mehrgeschossigen Wohngebäuden in Holzbau- und Massivbauweise durchgeführt.


"Massivbauweisen besitzen durch ihr aus brandschutztechnischer Sicht günstigeres Verhalten der Gesamtkonstruktion ein erheblich höheres Sicherheitsniveau als brennbare Holzkonstruktionen", so der Autor. Als gravierenden Vorteil bewertet Prof. Schneider die aus statischen Gründen grundsätzlich bei fast allen Gebäuden der Massivbauweise vorhandene zusätzliche Tragreserve der Geschossdecken. Im Brandfall kommt es daher zu Umlagerungen in der Lastverteilung, die Feuerwiderstandsdauer kann sich mehr als verdoppeln. Ein Einsturz der Gesamtkonstruktion ist aufgrund mehrseitiger Auflagerung auszuschließen. Und: in der Realität können ein- und zweischalige Wände der Massivbauweise - unter Berücksichtigung vorhandener Brandlasten - fast beliebig lange dem Feuer Widerstand leisten. Selbst der Einfluss der Dämmmaterialien ist zu vernachlässigen, da sie durch Putz hinreichend lange vor Brandeinwirkung geschützt sind. Geometrie und Form der nahezu monolithischen Konstruktion bleibt im Brandfall im Wesentlichen erhalten.

Ganz anders zeigt sich dieses nach der Studie allerdings bei Wohngebäuden in Holzbauweise. Nicht nur, dass Bauteilkonstruktionen mit brennbaren Baustoffen erschwerende Gefahrenpotentiale aufweisen. Dazu zählen u.a. ein zusätzlicher Eintrag von Brandlasten, die Erhöhung der Rauchgasentwicklung, die Brandein- und Weiterleitung in Konstruktionshohlräume und somit die Bildung von Glutnestern sowie eine Erhöhung der flash-over-Gefahr. Konstruktionen in Holzbauweise beinhalten darüber hinaus üblicherweise keinerlei Tragreserven. Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass der Raumabschluss im Brandfall über einen längeren Zeitraum als mehr 30 Minuten erhalten und das gesamte Tragwerk tragfähig sowie sicher bleibt. Nicht nur die Elemente und Bauteile versagen, sondern auch die Verbindungen und Anschlüsse zwischen den Elementen sowie Bauteilen. Das bedeutet nach Aussagen Schneiders, "die Brandeinwirkung führt bei der Holzbauweise zur Reduktion der tragenden Querschnitte unter Zunahme der inneren Spannungen, wobei die überwiegend metallischen Verbindungen der Einzelbauteile bei Erwärmung schnell ihre Tragfähigkeit verlieren".

Gerade in diesem Zusammenhang verweist Prof. Schneider auf die Planungsverantwortung der Architekten im Blick auf den Brandschutz im Holzbau. Jeder Planer muss sich die Wirkung des Feuers auf die unterschiedlichen Konstruktionen rechtzeitig vor der Planungsaufgabe klarmachen. Denn, auch das belegt die Studie, 60% der Planungsfehler liegen im Verantwortungsbereich des Architekten. Das bedeutet, es fehlt nach wie vor an einer Bewusstseinsbildung bezüglich bauweisenspezifischer Risiken und Gefahrenpotentiale in der Holzbauweise. "Angesichts fehlender Brandschutzausbildung an fast allen Architekturfakultäten auch in Deutschland ist dieses allerdings nicht weiter verwunderlich." In der Holzbauweise gibt es eine Vielzahl brandschutztechnischer Schwachstellen, so dass das Gesamtsystem aus dieser Sicht keine konstruktiven Fehler verzeiht. Gleichwohl: durch den immer weiter steigenden Kosten- und Termindruck auf den Baustellen sei auch bei brandschutztechnisch akzeptabler Planung im Holzbau eine notwendige fachgerechte Ausführung der konstruktiven Details für den Brandschutz in allen Fällen möglich.

Auch beim Schadensausmaß ergeben die Untersuchungen Schneiders eine Verlagerung vom Massiv- zum Holzbau, und zwar um ein 118% höheres Ausmaß. Schweizer Versicherungen attestieren der Bauweise sogar noch größeren Einfluss. Statistisch gesehen ist mit einem Anstieg des Schadenausmaßes von 100% auf 247% zu rechnen, wenn es sich bei dem Brandobjekt um einen brennbaren Holzbau im Vergleich zum nichtbrennbaren Massivbau handelt. Bei der Bewertung des Brandrisikos prognostiziert die Studie der Uni Wien einen Anstieg von 100 auf 352%. Die Vereinigung der Kantonalen Feuerversicherungen in der Schweiz gehen von einem Zuwachs des Brandrisikos auf sogar 396% bei der Holzbauweise aus. Die Vergleiche belegen ferner, dass die Verwendung brennbarer Baustoffe für Tragsysteme im Wohnbau zur Erhöhung des Brandrisikos um den Faktor 3,5 bis 4,0 führen kann.

Dass die Bauweise im Brandfall auch Auswirkungen auf Leib und Leben hat, geht ebenfalls aus den Untersuchungen hervor. So erreicht Finnland mit einem Holzbauanteil von 85% und 21,2 tödlichen Brandopfern je eine Million Einwohner sowohl den größten Anteil an Holzbauten als auch an Brandopfern. In den USA liegt der Anteil der Holzbauten bei ca. 80% und die Zahl der Brandopfer bei 19 Personen je eine Million Einwohner. Zahlenmäßig abgesicherte Aussagen zur Situation in Deutschland stehen noch nicht zur Verfügung. Durchschnittswerte aus dem Zahlenmaterial vergleichbarer Industrienationen ergeben: 7,79 Brandopfer pro Mio. Einwohner bei reiner Massivbauweise; 23,39 Brandopfer pro Mio. Einwohner bei reiner Holzbauweise. Demnach liegt die Anzahl der Todesopfer beim Holzbau bezogen auf den reinen Massivbau um 200% höher. "In diesem Wert", so Prof. Schneider, "ist die Annahme enthalten, dass bei einer Zunahme der konstruktiven Brandlasten im Wohnbau mit einer erhöhten Brandhäufigkeit und einem höheren Todesfallrisiko zu rechnen ist."

Fazit: "Jeder potentielle Hauskäufer oder Bauherr sollte sich deshalb genau die Brandrisiken vor Augen führen, die er bei einem Gebäude in Holzbauweise eingeht gegenüber der brandschutztechnischen Sicherheit eines Massivhauses beispielsweise aus Ziegel", so der Bundesverband der Ziegelindustrie. "Entsprechend muss er gemeinsam mit dem Architekten die Entscheidung treffen - für seine persönliche Sicherheit und die seiner Familie."

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