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Mieterbund: 2002 war das Jahr der Wohnungsverkäufe

(2.1.2003) "Mehr als 330.000 Wohnungen haben Bund, Länder und Kommunen in den letzten 24 Monate verkauft. Allein im Jahr 2002 fiel für über 175.000 Wohnungen die Verkaufsentscheidung", informierte Franz-Georg Rips, Direktor des Deutschen Mieterbundes in Berlin. "2002 ist das Jahr der Wohnungsverkäufe gewesen - aber auch erstmals das Jahr der massiven Mieterproteste", sagte Rips. Im Rahmen von Bürgerbegehren, Bürgerentscheid oder Unterschriftenaktionen protestieren hunderttausende von Mietern gegen die Wohnungsverkäufe in ihren Städten. "Die Betroffenen lassen sich nicht länger für dumm verkaufen", erklärte der Mieterbund-Direktor. Risiken, Gefahren und Probleme im Zusammenhang mit den Verkäufen liegen auf der Hand. Die vermeintlichen Schutzrechte, die Kommunen und Wohnungskäufer vereinbaren, gehen in aller Regel nicht über die gesetzlichen Schutzrechte nach einer Wohnungsumwandlung hinaus. "Wer etwas anderes sagt, täuscht die Betroffenen", so Rips.

Die großen Wohnungsverkäufe 2002

  • Die Viterra AG erhält den Zuschlag für den Kauf der Bundes- und Landesanteile der Frankfurter Siedlungsgesellschaft (FSG), die insgesamt rund 10.000 Wohnungen besitzt. Der Bund hat bis dahin 72,6 Prozent, das Land 13,7 Prozent der Anteile besessen.
  • Die Marzahner Wohnungsbaugesellschaft wird für 1 Euro an das landeseigene Wohnungsunternehmen DeGeWo verkauft. Es geht um 32.000 Wohnungen.
  • Die Stadt Lübeck verkauft die 4.500 Wohnungen der Heimstätten GmbH an die Landesentwicklungsgesellschaft Schleswig-Holstein.
  • Die Stadt Gera verkauft 10.000 Wohnungen der städtischen Wohnungsgesellschaft GeWo an die Deutsche Kreditbank (DKB).
  • Die Stadt Jena verkauft 94 Prozent der Anteile der Städtischen Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft (SWVG) an die Stadtwerke. 14.000 Wohnungen sind betroffen.
  • Das Land Nordrhein-Westfalen verkauft die Anteile an der Landesentwicklungsgesellschaft NRW an die Westdeutsche Landesbank. Hier geht es um rund 55.000 LEG-Wohnungen. Darüber hinaus bewirtschaftet die Landesentwicklungsgesellschaft noch rund 50.000 weitere Wohnungen.
  • Die Stadt Bonn verkauft 2.500 Wohnungen an die Firma Sahle.
  • Köln: Die städtischen Anteile an 42.000 Wohnungen sollen an den Finanzinvestor Terra Firma Capital Partners verkauft werden. Die Firma ist, wie die Deutsche Annington, die einen Großteil der 114.000 Eisenbahnerwohnungen gekauft hatte, aus dem japanischen Finanzkonzern Nomura hervorgegangen.
    Allerdings fehlte auf der Ratssitzung am 19. Dezember 2002 der CDU/FDP-Mehrheit in Köln eine Stimme. Jetzt soll im Januar 2003 erneut abgestimmt werden.
  • In Aachen sollen rund 7.000 Wohnungen verkauft werden. Die Stadt sucht noch einen Käufer.

Die ungebremste Ausverkaufspolitik der öffentlichen Hände ist falsch und wird auch nicht dadurch besser, dass zunächst an landesnahe oder stadteigene Gesellschaften (zwischen-)verkauft wird, sagte Rips. "Ich erwarte, dass letztlich die Wohnungen überwiegend von privaten Investoren, börsennotierten Unternehmen und ausländischen Kapitalgesellschaften erworben werden." Das bedeute, Bewirtschaftung und Verwertung des erworbenen Wohnungsbestandes werden dann konsequent nach dem Gesichtspunkt der Renditeerzielung betrieben. Notwendige Instandhaltungen und Modernisierungen werden gestreckt oder ausgesetzt, Mieterhöhungsspielräume werden bis zum letzten Cent ausgeschöpft. Mieterstrukturen werden dahingehend verändert, dass nur noch besonders zahlungskräftige Nachfrager die Chance auf Anmietung einer Wohnung haben. "Mieter drehen" ist die zynische Bezeichnung der Investoren für diesen Vorgang. Verlierer sind einkommensschwache Haushalte, Alleinerziehende, behinderte oder kranke Menschen und Großfamilien.

Verlierer sind aber auch die Kommunen selbst. "Vorhandenes Tafelsilber kann man nur einmal verkaufen", erklärte der Direktor des Deutschen Mieterbundes. Und der Verkaufserlös sei schnell verbraucht. Durch den Verkauf tausender Wohnungen steigt das Niveau der Mietpreise vor Ort, die städtischen Haushalte werden zusätzlich über Sozialhilfe und Wohngeld belastet, neue Belegungsrechte für Wohnungen werden notwendig und müssen teuer eingekauft werden. Der Ausverkauf von Wohnungen im öffentlichen Eigentum ist deshalb eine Todsünde gegen das von der Politik so propagierte Nachhaltigkeitsgebot.

"Die Alternative zum kurzsichtigen Ausverkauf kommunaler Wohnungsbestände liegt darin, die Wohnungsunternehmen vor Ort fit zu machen für die Zukunft", forderte Franz-Georg Rips. "Sie können dauerhaft wichtige und hilfreiche Partner der Städte und Gemeinden sein."

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