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Leitentscheidung des Bundesgerichtshofes beendet Verunsicherung für Nahwärmeprojekte

(20.8.2002) Nahwärmeversorgungsprojekte sind wirtschaftlich nur durchführbar, wenn über lange Zeit gesichert ist, dass die Grundstücke, die an die Versorgung angeschlossen werden, auch dauerhaft mit Wärme versorgt werden. Es muss ausgeschlossen sein, dass einzelne Grundstückseigentümer nach 10 oder 15 Jahren eine eigene dezentrale Versorgung installieren. Zur Absicherung der dauerhaften Bezugsverpflichtung kommt u.a. die Bestellung von Grunddienstbarkeiten oder beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten in Betracht, die den Erwerbern von Grundstücken in Neubaugebieten mit Nahwärmeversorgung verbieten, eigene Wärmeerzeugungsanlagen zu installieren und zu betreiben. Die Dienstbarkeit wird dann entweder vor Verkauf der Baugrundstücke vom verkaufenden Grundstückseigentümer, z.B. dem Bauträger oder der Gemeinde bestellt oder der Verkauf des Grundstücks erfolgt unter der Bedingung, dass eine Dienstbarkeit des beschriebenen Inhalts bestellt wird. Gemeinden, denen an einer umweltschonenden Energieversorgung von Neubaugebieten gelegen ist, verfahren oft auch so mit Grundstücken, die ihnen gehören.

Durch Urteile des Landgerichts Kiel und des Oberlandesgerichts Schleswig war der Gemeinde Börnsen verboten worden, Baugrundstücke nur belastet mit entsprechenden Dienstbarkeiten zu verkaufen. Auf eine entsprechende Klage eines Interessenverbandes von Mineralölhändlern hin hatten beide Gerichte diese Vorgehensweise als wettbewerbs- und kartellrechtlich unzulässig angesehen und die Gemeinde zur Unterlassung verpflichtet. Dies hatte bundesweit für erhebliche Verunsicherung gesorgt und viele Gemeinden davon abgehalten, in Neubaugebieten eine Nahwärmeversorgung vorzusehen. Denn ohne die effektive Absicherung, die u.a. durch Dienstbarkeiten erfolgen kann, lässt sich kein Betreiber finden, der bereit ist, die Nahwärmeversorgung zu übernehmen.

Die beschriebene Unsicherheit ist nun durch eine Urteil des Bundesgerichtshofes vom 9. Juli 2002 (KZR 30/00) ausgeräumt. Der Bundesgerichtshof sieht abweichend von den Entscheidungen der Vorinstanzen in dem Verhalten der Gemeinde keinen Verstoß gegen Kartell- oder Wettbewerbsrecht. Der Gemeinde sei es mit den Regelungen darum gegangen, aus Gründen des Klimaschutzes den Anschluss an die aus einer KWK-Anlage gespeiste Nahwärmeversorgung zu gewährleisten. Dies sei ein berechtigtes Interesse, dass durch eine entsprechende Ausgestaltung der Verträge verfolgt werden dürfe.

Für die Praxis bedeutet dies, dass eine Absicherung des Bezuges von Nahwärme aus einer KWK-Anlage oder einem mit regenerativen Brennstoffen befeuerten Heizwerk nunmehr ohne Zulässigkeitszweifel über entsprechende Dienstbarkeiten erfolgen kann. Dieser Weg der Absicherung ist in den meisten Fällen gegenüber einer Absicherung mittels öffentlich-rechtlichem Anschluss- und Benutzungszwang vorzugswürdig, weil allein der aus der Dienstbarkeit begünstigte Betreiber der Nahwärmeversorgung entscheidet, ob er die Rechte aus der Dienstbarkeit wahrnimmt. Bei einem öffentlich-rechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang besteht immer die Möglichkeit, dass die Gemeinde diesen gegen den Willen des Betreibers der Nahwärmeversorgung aufhebt oder Klagen der Anschlussnehmer gegen die Satzung zu deren Aufhebung führen.

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