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Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V.: Tariftreue vernichtet Bauarbeitsplätze in den neuen Bundesländern

(3.10.2001) Der Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg, RA Wolf Burkhard Wenkel, kritisierte in scharfer Form die Ankündigung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder, bei der öffentlichen Auftragsvergabe im Baugewerbe eine Tariftreueerklärung einzuführen. RA Wenkel sagte: "Die Bundesregierung sollte sich in dieser Frage nicht unbedacht zum Büttel gewerkschaftlicher Interessen und der Interessen der Spitzentarifvertragsparteien des Baugewerbes machen. Es ist eine völlig irrige Vorstellung, mit Hilfe eines bundesweiten Vergabegesetzes auch nur einen Bauarbeitsplatz zu sichern. Arbeitsplätze, die aufgrund der drastischen Zunahme der illegalen Beschäftigung unrentierlich sind, werden durch ein Lohndiktat nicht rentierlicher, wenn das Übel nicht bei der Wurzel gepackt wird. Mit der Einführung eines Vergabegesetzes zielen die Baubetriebe aus den alten Bundesländern deshalb in erster Linie darauf ab, sich der unliebsamen Konkurrenz aus den neuen Bundesländern zu entledigen."

RA Wenkel verwies darauf, dass die Spitzenverbände des deutschen Baugewerbes gemeinsam mit der IG BAU bereits eine Reihe von Regelungen getroffen haben, die vor allem zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Baubetriebe in den neuen Bundesländern gehen. Dazu zählten

  1. die Erhöhung des allgemeinverbindlichen Mindestlohnes genauso wie
  2. die Anhebung des zusätzlichen Urlaubsgeldes und
  3. die Einführung der tariflichen Zusatzrente.

Nach einer Umfrage des Interessenverbundes Bau (IVB) haben sich rd. 90 % der Baubetriebe in den neuen Bundesländern gegen die Einführung einer Tariftreueerklärung und sich gleichzeitig für die Gründung eines eigenständigen ostdeutschen Baugewerbeverbandes ausgesprochen. RA Wenkel sagte: "Die Umfrage zeigt, dass sich die überwältigende Mehrheit der Baubetriebe in Ostdeutschland nicht mehr von den Spitzenverbänden vertreten fühlt."

Gegenwärtig sind im ostdeutschen Bauhauptgewerbe noch 177.000 gewerbliche Bauarbeiter beschäftigt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Minus von rund 18 Prozent. In den neuen Bundesländern liegt die Bauarbeitslosigkeit bei rd. 44 % und in Berlin bei rd. 50 %. Den wirtschaftlich angeschlagenen mittelständischen Baubetrieben in den neuen Bundesländern kann keine weitere Kostenlast mehr aufgebürdet werden. Mit der Verpflichtung eine Tariftreueerklärung abgeben zu müssen, würden zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze bei den Baubetrieben der neuen Bundesländer vernichtet werden. Für diese Baubetriebe sind relativ niedrige Lohnkosten oft die einzigen Wettbewerbsvorteile gegenüber den westdeutschen Baubetrieben.

Der tatsächlich gezahlte Mittellohn liegt in den neuen Bundesländern gegenwärtig im Durchschnitt bei 18,66 DM, während der Tariflohn Ost bei 24,38 DM beträgt. Der Tariflohn West liegt dagegen bei 27,35 DM. Auch diese Zahlen machen deutlich, dass ein bundesweites Vergabegesetz die Arbeitskosten der Baubetriebe ausschließlich in den neuen Bundesländern zu Gunsten der westdeutschen Betriebe in die Höhe treibt.

Die Fachgemeinschaft Bau vertritt die Auffassung, dass die Bundesregierung, bevor sie die Einführung neuer Gesetze plant, erst einmal dafür sorgen muss, dass die bereits bestehenden Gesetze durchgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für den Mindestlohn. Zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit muss nun endlich der elektronisch lesbare Sozialversicherungsausweis eingeführt werden. Das Steuerabzugsverfahren, dass mit dem 1.1.2002 in Kraft tritt, muss auf die Sozialabgaben erweitert werden. Zusätzlich sollte der Bauherr, der durch die niedrigen Preise der Illegalen profitiert, ebenfalls für die Steuern und Abgaben der von ihm beauftragten Unternehmer haften.


Ergänzung: Die Reaktion des Deutschen Städte- und Gemeindebundes bezieht sich auf folgenden Abschnitt der Schröder-Rede auf dem Gewerkschaftstag der IG Bauen-Agrar-Umwelt am 1.10.2001:

"Die Bundesregierung wird deshalb gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung weiterhin mit großem Nachdruck vorgehen.
Übrigens: Im Rahmen des 10-Punkte-Programms haben wir uns darauf verständigt, dass geprüft werden soll, ob wir mit einer Tariftreueregelung im Kampf gegen die illegale Beschäftigung weiterkommen können. Dazu hatte der Bundeswirtschaftsminister eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die hat jetzt Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung vorgelegt.
Demnach wird sich künftig jedes Unternehmen, das einen Auftrag vom Bund, vom Land oder von der Kommune erhält, verpflichten, den ortsüblichen Tarif zu zahlen." (Auszug aus dem Redemanuskript laut Web-Site der Bundesregierung)

siehe auch:

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