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VITRUV unterstützt Städteplaner bei der zivilen Sicherheitsplanung für urbane Gebiete


  

(3.12.2016) Um Sicherheitsaspekte bei der Stadtplanung bereits in der Entwurfsphase berücksichtigen zu können, ermittelt und analysiert VITRUV (Vulnerability Identification Tools for Resilience Enhancements of Urban Environments) konkrete Risiken, quantifiziert Schäden und schlägt Maßnahmen vor. Die Software kann Städteplaner in allen Phasen ihrer Arbeit unterstützen und dabei helfen, bestehende Infrastrukturen zu optimieren.

Klimawandel, Terrorismus oder soziale Konflikte

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Städten. Laut einer aktuellen Prognose der UN wird der Anteil der urbanen Weltbevölkerung bis 2030 auf etwa 60% wachsen. Dies entspricht einer Verdoppelung seit den 1950er Jahren. Eine ähnliche Entwicklung ist auch in Deutschland zu beobachten, und für die Zukunft gehen viele Experten von einer Verschärfung der Situation aus. Dennoch ist die zivile Sicherheit der Stadtbewohner aus städtebaulicher Sicht bisher ein Randthema. Angesichts von Klimawandel, Terrorismus oder sozialen Konflikten müssen sich Städteplaner umfassend und methodisch mit diesem Thema beschäftigen.

Das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut (EMI) aus Freiburg will auf der BAU 2017 mit VITRUV eine Software vorstellen, mit der sich Sicherheitsaspekte in den Prozess der Stadtplanung direkt einbinden lassen. Die Forscher entwickelten die Software im gleichnamigen EU-Projekt. Sie kann bereits in der Entwurfsphase die Struktur eines kompletten urbanen Gebiets auf Sicherheitsaspekte hin analysieren und Schwachstellen identifizieren. Die Wissenschaftler konnten laut eigener Einschätzung den Prozess der strukturellen Risikoanalyse radikal vereinfachen.

Risikoanalyse eines Stadtgebiets in Oslo (siehe Google-Maps), die empirische Daten über die Nutzung der Gebäude einbezieht; Bild © Fraunhofer EMI (Bild vergrößern)

VITRUV unterstützt Städteplaner in allen drei Phasen ihrer Arbeit:

  • In der Konzeptphase wird eine schnelle Einschätzung der sicherheitsrelevanten Themen vorgenommen.
  • In der Planungsphase liefert das Tool Erkenntnisse über Anfälligkeit, Schwachstellen und konkrete Risikobereiche.
  • In der Detailplanung schließlich erarbeitet es konkrete Maßnahmen, um Risiken zu minimieren.
Urban Securipedia
  

Durch die iterative Vorgehensweise können Städteplaner ihre Entwürfe Schritt für Schritt optimieren, um sich schließlich für den bestmöglichen Entwurf zu entscheiden.

Während der Konzeptphase führt die Software eine empirische Risikoanalyse durch. Das Tool nutzt historische Daten, die es aus bestehenden Wissensdatenbanken wie beispielsweise Securipedia einholt, um die Anfälligkeit bestimmter Gebiete zu bewerten. Statistische Häufigkeiten visualisiert sie in Abhängigkeit von der Bedrohungsart, dem bedrohten Objekt, der Region und der Exposition.

Neuralgische Punkte identifizieren

In den beiden Planungsphasen analysiert VITRUV städtische Strukturen sowie einzelne Gebäude und liefert Erkenntnisse über die zu erwartenden Konsequenzen für Menschen, Gebäude und Infrastruktur im Schadensfall. „Mit der Software kann man für eine bestimmte Region alle Punkte, an denen etwas passieren könnte, durchspielen und die Ergebnisse überlagern“, sagt Dr. Alexander Stolz, Abteilungsleiter Sicherheitstechnologie und Baulicher Schutz am Fraunhofer EMI und verspricht: „Damit lassen sich die neuralgischen Punkte in der Stadtplanung identifizieren, an denen hohe Schäden entstehen könnten. Durch eine Umgestaltung der Struktur, beispielsweise durch eine neue Anordnung der Gebäude oder die Veränderung ihrer Nutzung, lässt sich das Risiko minimieren.“

Mögliche Schäden berechnet ein validiertes physikalisches Ingenieurmodell mit Hilfe einer quantitativen Risikoanalyse. VITRUV betrachtet dabei unterschiedliche Szenarien wie Erdbeben, Explosionen oder Terrorangriffe. Bei der Berechnung der möglichen Schäden sind für die einzelnen Gebäude oder Elemente der Verkehrsinfrastruktur unterschiedliche Leistungskriterien abrufbar, darunter die Anzahl der betroffenen Personen sowie strukturelle oder monetäre Schäden.

Urbane Resilienz/Robustheit verbessert

Die Software unterstützt Städteplaner auch dabei, passende Schutzmaßnahmen zu bestimmen. Eine ganze Reihe solcher Maßnahmen, die die Auswirkungen eines Vorfalls minimieren und die Wiederinbetriebnahme von Straßen oder Infrastrukturen optimieren können, sind bereits in der Software implementiert und liefern eine Grundlage für Kosten-Nutzen-Analysen seitens der Entscheidungsträger. Durch die Maßnahmen lässt sich die urbane Resilienz, die Robustheit der Städte gegenüber Störungen, verbessern. Besonders durch letztere Eigenschaft lassen sich bestehende Infrastrukturen mit VITRUV optimieren. Städteplaner können einerseits Risiken identifizieren und quantifizieren, andererseits ermitteln, wie effektiv und wie teuer einzelne Verstärkungsmaßnahmen sind, um bestehende Gebäude gezielt zu verstärken.

Das Fraunhofer EMI will seine Technologie auf der BAU vom 16. bis 21. Januar in München am Fraunhofer-Stand vorstellen (Halle C2, Stand 538).

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